Seltene Differentialdiagnose  erhöhter Cholestaseparameter
Duplikatur des Ductus hepatocholedochus

Seltene Differentialdiagnose erhöhter Cholestaseparameter

Fallberichte
Ausgabe
2018/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03197
Schweiz Med Forum 2018;18(12):285-288

Affiliations
Chirurgie, Spital Linth, Gastroenterologie, Spital Linth, Radiologie, Spital Linth, Hausarztpraxis Eschenbach

Publiziert am 21.03.2018

Eine 50-jährige Patientin wurde mit stärksten kolikartigen, epigastrischen Schmerzen in der Notfallaufnahme nach hausärztlicher Zuweisung mit dem Verdacht einer Cholangitis vorstellig.

Hintergrund

Die Trias aus laborchemisch erhöhten Cholestase- und Entzündungsparametern sowie klinisch deutlicher Druckdolenz im Epigastrium und rechten Oberbauch beinhaltet verschiedene Differentialdiagnosen.

Fallbericht

Anamnese

Eine 50-jährige Patientin wurde mit stärksten kolikartigen, epigastrischen Schmerzen in der Notfallaufnahme nach hausärztlicher Zuweisung mit dem Verdacht einer Cholangitis vorstellig. Eine Schmerzausstrahlung äus­serte die Patientin nicht, es bestanden febrile Temperaturen. In der Vorgeschichte fanden sich eine Cholezystektomie sowie eine unklare cholestastische Hepatopathie. Letztere führte zu einer Entnahme von Biopsiematerial der Leber einige Jahre zuvor und Nachweis von entzündungsfreiem Lebergewebe mit herdförmig ausgeprägter portaler und periportaler Fibrose. Die Gallengänge in dieser histologischen Aufarbeitung waren teilweise etwas deformiert, jedoch in ihrer Anzahl nicht reduziert, das Läppchenparenchym zeigte unspezifische reaktive Veränderungen, eine morphologisch relevante Cholestase fand sich jedoch nicht.

Status und Befunde

Inspektorisch zeigten sich bei der Patientin in der Notfallaufnahme keine Auffälligkeiten. Die Patientin war bei Eintritt in einem schmerzbedingt reduzierten Allgemeinzustand und einem normalen schlanken Ernährungszustand mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 28,6 kg/m2. Klinisch liessen sich spärliche Darmgeräusche über allen vier Quadranten auskultieren. Das Abdomen war weich mit einer Druckdolenz im rechten Oberbauch, ohne dass ein Loslassschmerz bestand. Ein positives Murphy-Sign konnte bei der cholezystektomierten Patientin klinisch nicht ausgelöst werden.
Laborchemisch liessen sich mässig erhöhte Transaminasen (ASAT: 47 U/l, ALAT: 70 U/l) und erhöhte Chole­staseparameter (Bilirubin: 21 μmol/l, alkalische Phosphatase: 212 U/l und Gamma-GT: 202 U/l) nachweisen. Die Entzündungswerte waren mässig erhöht mit einem CRP von 51 mg/l bei normwertigen Leukozyten, so dass eine antibiotische Therapie mit Tazobactam/Piperacillin initiiert wurde.

Diagnostik

Die seriellen laborchemischen Kontrollen zeigten unter antibiotischer Therapie mit Tazobactam/Piperacillin 4,5 g 3×/Tag steigende Entzündungs- und Cholestaseparameter. Bei Verdacht auf eine Cholangitis erfolgte die Durchführung einer Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP), die eine Cholestase mit Zeichen einer Cholangitis bei Choledocholithiasis zeigte. Zusätzlich konnte in dieser Diagnostik eine Duplikationsanomalie der extrahepatischen Gallenwege dargestellt werden, mit einem Konkrement im rechten Ductus ­hepaticus (Abb. 1) sowie einem weiteren Konkrement in der gemeinsamen Endstrecke des Ductus hepatocholedochus präpapillär. Aufgrund dessen erfolgte eine notfallmässige endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) mit Papillotomie.
Abbildung 1: Axialer Schnitt der Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) mit Darstellung des doppelt angelegten Ductus hepatocholedochus.
Die putride Cholangitis konnte bei der Papillotomie bestätigt werden. Es entleerten sich Pus und reichlich Sludge. Gemäss der ERCP-Dokumentation liess sich das im MRCP beschriebene präpapilläre Konkrement trotz mehrmaligen Ballondurchzuges nicht nachweisen. Möglich ist, dass der aufgestaute Sludge präpapillär als Konkrement im MRCP imponierte. Es wurde ausserdem eine Cholangiographie durchgeführt, in der ein gut kontrastierter linker Hauptgallengang dargestellt werden konnte. Aufgrund der vollständigen Auskleidung des rechten DHC mit Steinen und Sludge wurde dieser nicht kontrastiert. Daher konnten weder der rechte DHC noch der im MRCP nachgewiesene Stein im rechten DHC oder die Duplikatur detektiert und dargestellt werden. Postinterventionell kam es zu einer klinischen Verbesserung des Allgemeinzustandes sowie zu einer Regredienz der laborchemischen Entzündungs- und Cholestaseparameter.

Therapie und Verlauf

Nach Durchführung der ERCP erfolgte die operative Sanierung mittels biliodigestiver Anastomose. Die Indikation zur operativen Sanierung wurde trotz klinischer Symptombesserung und Regredienz der laborchemischen Entzündungsparameter aufgrund des erhöhten malignen Entartungsrisikos, des Risikos rezidivierender Pankreatitiden oder Cholangitiden und der nur partiell erfolgreichen ERCP gestellt.
Intraoperativ zeigten sich anlehnend an den MRCP-Befund ein massiv dilatierter und fibrosierter rechter DHC sowie ein relativ schlanker und zarter linker Hauptgallengang (Abb. 2). Nach Absetzen der gemeinsamen Endstrecke beider Hauptgallengänge am Pan­kreasoberrand mass diese 2 cm im Durchmesser. Die intraoperative Präparation verfolgte die beiden Gallenwege bis nach kranial und wurde bis an das intra­hepatische Gallengangssystem fortgeführt (Abb. 3). Unmittelbar proximal der kommunizierenden Verbindung zwischen den beiden Ductus erfolgte die Resektion an der Grenze zu dem intrahepatisch normalen Gallengangssystem. Die Rekonstruktion erfolgte durch die Anlage einer biliodigestiven Anastomose. Dazu wurde eine Roux-Y-Jejunalschlinge retrokolisch hochgezogen. Intraoperativ wurde der fi­brosierte rechte Gallengang eröffnet, der vollständig mit Konkrementen oder Konkrementfragmenten ausgekleidet war. Der ­distale Abfluss war aufgrund der präoperativ durchgeführten Papillotomie gewährleistet.
Abbildung 2: Darstellung des intraoperativen Situs. DHC = Ductus hepatocholedochus.
Abbildung 3: Schematische Darstellung des intraoperativen Situs der Duplikationsanomalie Typ Vb bei Status ­nach ­Cholezystektomie.
Das Resektat wie auch die einzelnen Fragmente des Choledochussteines wurden histologisch untersucht. In dieser konnte die Duplikatur als zwei V-förmige liegende Gallenwege bestätigt werden. Sie bestanden aus einer beträchtlichen Wandfibrose mit Konkrement­einlagerungen und leichter chronischer aktiver Entzündung, aber ohne Anhaltspunkte für Malignität. Makroskopisch und histologisch fanden sich keine Hinweise für andere biliäre Anomalien, wie zum Beispiel das Caroli-Syndrom.
Die direkte postoperative Nachbetreuung erfolgte auf der Überwachungsstation bis zum zweiten postoperativen Tag. Die intraoperativ eingebrachte Drainage förderte initial vermehrt galliges Sekret, wobei dieses im Verlauf deutlich regredient war, so dass die Drainage am sechsten postoperativen Tag gezogen werden konnte. Die antibiotische Therapie erfolgte mit Tazobactam/Piperacillin 4,5g 3×/Tag für insgesamt zehn Tage bei bestehender eitriger Cholangitis. Insgesamt zeigte sich ein komplikationsloser Verlauf, die Abschlusskontrolle 14 Tage postoperativ war unauffällig mit einem deutlichen Rückgang der Transaminasen.

Diskussion

Anatomische Varianten des extrahepatischen Gallengangsystemes treten bei nahezu 42% der Bevölkerung auf [1, 2]. Duplikaturen des DHC hingegen sind sehr seltene kongenitale Normvarianten [4]. Oft sind sie mit rezidivierenden Cholangitiden, Pankreatitiden, einer rezidivierend auftretenden Cholelithiasis oder einer malignen Entartung des biliären Systems vergesellschaftet [2]. In der Literatur sind nur wenige Fälle beschrieben.
1972 wurden Varianten des DHC erstmals klassifiziert, Choi et al. haben 2007 die bestehende Klassifikation erweitert [4]. In der Literatur sind fünf Typen der Duplikatur des DHC beschrieben (Abb. 4), Typ V ist der seltenste [2]. Er beschreibt einen singulären biliären Abfluss mit einem doppelt angelegten gemeinsamen DHC ohne (Va) oder mit (Vb) kommunizierende Verbindungen [2]. Aufgrund des erhöhten Malignitätsrisikos mit 25% [4] stellen die Diagnostik und die therapeutische Strategie der nur sehr selten auftretenden Typen Va und Vb eine besondere Herausforderung dar [2]. Die Diagnostik erfolgt mittels CT oder MRCP [1, 2]. Eine genaue präoperative Beschreibung der anatomischen Verhältnisse der extrahepatischen Gallenwege ist die Grundvorraussetzung für die optimale chirurgische Planung und Versorgung [2].
Abbildung 4: Choi-Klassifikation: Varianten des Ductus hepatocholedochus (nach [1]).
Eine chirurgische Resektion ist aufgrund des erhöhten Malignitätsrisikos empfehlenswert, die Wiederherstellung des biliären Abflusses sollte mittels biliodigestiver Anastomose, alternativ mittels Whipple-Operation, erfolgen.
Für das Entstehen einer Duplikatur des DHC werden mehrere Mechanismen der frühen Embryonalphase beschrieben [3]. Zugrundeliegend könnten eine Störung der Rekanalisation des DHC in der frühen Embryonalphase, die zufällige Unterteilung der Leberanlage in der ersten Woche der Embryonalentwicklung und die frühe Unterbrechung der Entwicklung, die in einer Persistenz eines akkzessorischen extrahepatischen Ganges resultiert [4], sein.
In der Vorgeschichte lässt sich bei unserer Patientin bereits eine Cholezystektomie evaluieren, wobei die Duplikatur des DHC während der Operation bei schwerer Cholezystitis nicht dargestellt werden konnte.
In unserem Fall erfolgte die präoperative Abklärung mittels ERCP, aufgrund einer vermuteten Choledocholithiasis und eines MRCP, in dem die Duplikationsanomalie dargestellt werden konnte. Andere assoziierte Gallenwegserkrankungen, wie das durch Zysten an den Gallenwegen charakterisierte Caroli-Syndrom, lies­sen sich im MRCP ausschliessen. Es erfolgte die operative Versorgung mittels Ektomie der Duplika­tionsanomalie und Wiederherstellung der biliopan­kreatischen Drainage mittels biliodigestiver Anastomose. Die Patientin erholte sich postoperativ rasch. Die präoperativ erhöhten Cholestaseparameter waren schnell rückläufig. Einen Monat postoperativ war die Patientin bereits wieder zu 20% arbeitsfähig, nach einem weiteren Monat arbeitete die Patientin wieder vollumfänglich.

Das Wichigste für die Praxis

Duplikaturen des DHC:
• Sehr seltene kongenitale Anomalien, die oft mit rezidivierenden Cholangitiden oder Pankreatitiden sowie einem erhöhten Risiko für maligne Entartungen vergesellschaftet sind.
• Die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) und die endo­skopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) stellen den Goldstandard für die Abklärung von Erkrankungen des extrahepatischen biliären Systems dar.
• Bei rezidivierenden Cholangitiden mit erhöhten Cholestaseparametern sollte an eine Duplikationsanomalie gedacht werden, insbesondere bei Patienten mit Status nach Cholezystektomie.
• Eine Resektion ist aufgrund des erhöhten Malignitätsrisikos empfehlenswert, die Wiederherstellung der biliopankreatischen Drainage erfolgt mittels biliodigestiver Anastomose.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Anita Schulz, dipl. Ärztin
Spital Linth
Gasterstrasse 25
CH-8730 Uznach
anita.schulz[at]
spital-linth.ch
1 Arora A, Sureka B., Kasana V, Patidar Y, Bansal K, Common bile duct duplication: The more the murkier. Saudi J Gastroenterology 2015;2:51–4.
2 Hammad T, Alastal Y, Khan M.A, Hammad M, Alaradi O, Nigam A, et al. Two cases of Type Va extrahepatic bile duct duplication with distal Klatskin Tumor surgically treated with Whipple procedere and Hepaticojejunostomy, ACG Case Rep J 2015;3(1):49–52.
3 Kim S.W, Park D.H, Shin H.C, Kim I.Y, Park S.H, Jung E.J, et al. Duplication of the extrahepatic bile duct in association with choledocholithiasis as depicted by MDCT, Korean J Radiol 2008;9:550–554.
4 Gupta V, Chandra A, Duplication of the extrahepatic bile duct, Congenital Anomalies 2012;52,176–178.