Die in der Regel klinisch diagnostizierte «pelvic inflammatory disease» umschreibt eine Entzündung des oberen weiblichen Genitaltrakts. Die Symptome sind unspezifisch, häufig nur diskret ausgebildet oder fehlen. Unverzügliche Therapieeinleitung und Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten – etwa durch Einführung eines geeigneten Screenings – mindern das Langzeitrisiko der Sterilität, Extrauteringravidität und chronischer Bauchschmerzen.
Einleitung
Mit dem Überbegriff der «pelvic inflammatory disease» (PID) wird im englischen Sprachgebrauch ein Spektrum von auf einer genitalen Infektion beruhenden Erkrankungen umschrieben. Diese umfassen zum Beispiel Endometritis, Salpingitis, Tuboovarialabszess (TOA) und Peritonitis (im kleinen Becken) sowie Kombinationen davon [1, 2]. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden auf den Übersichtsartikel von Brunham et al. [3] basierenden Zusammenstellung die englische Bezeichnung verwendet.
Die Einführung der Laparoskopie in den 1960er-Jahren ermöglichte ein verbessertes Verständnis der infektiös bedingten Ursachen der PID und dadurch eine im Allgemeinen geltende Standardisierung der antibiotischen Behandlungsmöglichkeiten. Dank der Bestrebungen der westlichen Länder, Gonokokken- und Chlamydieninfektionen zu kontrollieren, sind sowohl Häufigkeit als auch Schwere der PID zurückgegangen. Nicht selten kommt es allerdings trotz vorhandener Therapiemöglichkeiten zu Fertilitätsproblemen, Extrauteringravidität (EUG) oder zur Entwicklung chronischer Unterbauchschmerzen. Die häufig verpassten subklinischen Verläufe und die nicht nur in Entwicklungsländern fehlenden Programme zur Prävention der für eine PID ursächlichen Infektionen tragen weiter zu dieser Problematik bei.
Epidemiologie und Risikofaktoren
PID verursachten im Jahre 2000 in den USA geschätzte 1,2 Millionen Konsultationen. Seit 1985 nimmt die Häufigkeit der PID ab, was zumindest teilweise auf das in manchen Ländern weit verbreitete Chlamydienscreening zurückgeführt wird. Wechselnde Sexualpartner, junges Alter, Rauchen, Drogenabusus und Scheidenspülungen gelten zu den bedeutendsten Risikofaktoren der PID. Orale Kontrazeptiva wirken sich eher protektiv aus, möglicherweise maskieren sie aber nur die Symptome der Krankheit. Die bakterielle Vaginose (BV) wird auch mit der PID in Zusammenhang gebracht, die Kausalität bleibt jedoch unklar [4].
Definitionen, Ätiologie und Pathogenese
Akut vs. chronisch
Es wird zwischen einer akuten (≤30 Tage Dauer) und einer chronischen (>30 Tage Dauer) PID unterschieden. Der akuten und der doppelt so häufig auftretenden subklinischen PID liegt eine aus der Zervix oder Vagina aszendierende bakterielle Infektion zugrunde. In über 85% der Fälle wird letztere sexuell akquiriert. Den unteren Genitaltrakt kolonisierende Keime des Respirations- oder Gastrointestinaltraktes sind für die übrigen Infektionen verantwortlich [3]. Eine chronische PID wird zum Beispiel durch Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis oder Actinomyces-Spezies verursacht beziehungsweise beschreibt auch den Umstand chronisch-rezidivierender Unterbauchschmerzen nach durchgemachter akuter PID.
Kompliziert vs. unkompliziert
Eine komplizierte PID unterscheidet sich von der unkomplizierten durch die Präsenz eines entzündlichen Tuboovarialkomplexes im kleinen Becken oder sogar eines klassischen TOA.
C. trachomatis, N. gonorrhoeae und Anaerobier
Lange galt Neisseria gonorrhoeae als häufigste Ursache der PID. Durch die sinkende Gonorrhoe(GO)-Prävalenz sind mittlerweile bis zu 60% der Fälle Chlamydia trachomatis zuzuschreiben [4]. Unbehandelt führen Chlamydieninfektionen in etwa 22% der Fälle zu einer klinisch manifesten PID [5].
Trotz zunehmender Sensitivität der eingesetzten Tests wird in 9–23% der bestätigten Salpingitis- oder Endometritisfälle weder eine GO noch eine Chlamydieninfektion festgestellt (klassische sexuell übertragbare Krankheiten [STD]) [4]. Auch bei Nachweis dieser häufigsten Erreger der PID ist eine Koinfektion mit Anaerobiern wie Peptostreptococcus spp. und Prevotella spp. im oberen Genitaltrakt keine Seltenheit, was häufig für eine Aggravation des Krankheitsverlaufes verantwortlich ist [4]: Die Herabsetzung der physiologischen Barrierefunktion durch eine Biofilme ausbildende BV scheint – neben Geschlechtsverkehr und retrograder Menstruation – ein weiterer begünstigender Faktor für die Aszension von Infektionen darzustellen [6].
Auch Genpolymorphismen und bestimmte «human leucocyte antigen»(HLA)-Konstellationen könnten die individuelle Prädisposition zur Entwicklung einer PID [7], aber auch von Rezidiven und Reinfektionen erklären.
Mycoplasma genitalium
Für die Assoziation von M. genitalium mit PID sprechen mehrere, mit zwar heterogener Qualität durchgeführte Studien [8, 9]. Die Prävalenz von M. genitalium-Infektionen gilt mit 5–10% der Patientinnen mit PID als eher tief [8, 10, 11]. Bei fehlendem Therapieansprechen sollte dennoch an eine Infektion mit M. genitalium gedacht werden.
Entstehen entzündungsbedingt Vernarbungen und Adhäsionen, führen diese unter Umständen zur partiellen oder totalen Obstruktion der Tuben, was wiederum das Risiko einer EUG erhöht, das Eintreten einer Schwangerschaft verhindert oder chronische Unterbauchschmerzen erklärt [3].
Klinische Manifestation und Diagnose
Bei jungen, sexuell aktiven Frauen sollte bei Unterbauchschmerzen immer an eine PID gedacht werden, insbesondere wenn die Beschwerden plötzlich und perimenstruell auftreten. Als Differenzialdiagnosen müssen Appendizitis, EUG, Ovarialtorsion, intraabdominale Blutung, Ruptur einer Ovarialzyste, Endometriose und Gastroenteritis berücksichtigt werden [4]. Durch die sinkende GO-Inzidenz nehmen atypische, mildere klinische Verläufe tendenziell zu [3]: Leichte oder nichtspezifische Symptome wie Blutungsstörungen, Kontaktblutungen, Dyspareunie, Dysurie oder vaginaler Ausfluss werden oft nicht mit der Krankheit in Verbindung gebracht [2]. Fieber gehört nicht zu den Kardinalzeichen einer PID, kann aber – häufiger bei GO – auftreten. Schmerzen im rechten Hemiabdomen können auf eine perihepatische Entzündung und Entwicklung von Adhäsionen im Bereich der Leberkapsel (Perihepatitis oder Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom) hinweisen [3].
Für die gewöhnlich mildere Symptomatik bei Chlamydien- und M. genitalium-PID spricht auch die Tatsache, dass sich Betroffene etwa eine Woche später als solche mit GO vorstellen [12]. Dass die Infektionen ganz asymptomatisch verlaufen können, ist bekannt: Die meisten Frauen mit auf einen Tubenfaktor zurückzuführender Sterilität weisen eine negative Anamnese bezüglich PID auf, obschon die Gonokokken- und/oder Chlamydienserologie nicht selten positiv ausfällt.
Tuboovarialabszess (TOA)
Häufig geht der TOA mit akzentuierteren Entzündungs- und systemischen Krankheitszeichen einher, die (sub-)febrile Temperaturen, Leukozytose, aber auch Nausea oder chronische Bauch- und Unterbauchschmerzen, eine Resistenz im kleinen Becken, einen reduzierten Allgemeinzustand oder das ungenügende Ansprechen auf die eingeleitete Therapie umfassen [13]. In diesen Situationen sind bildgebende Verfahren zur weiteren Abklärung zwingend.
Eine PID wird primär klinisch diagnostiziert [14, 15]: Dabei sollten eine Abdomenpalpation (inkl. des oberen rechten Quadranten) sowie die bimanuelle Untersuchung durch die vaginale Spekulumeinstellung ergänzt werden. Nach Möglichkeit erfolgt auch eine Nativuntersuchung des Zervixsekretes [16].
Klinische Befunde
Palpatorisch dolente und überempfindliche Beckenorgane werden in >95% der Fälle festgestellt. Dieser Befund ist somit sehr sensitiv, allerdings wenig spezifisch. Zusätzliche Kriterien, die für eine PID sprechen, können die Spezifität erhöhen und so die Diagnose wahrscheinlicher machen. Leicht erkennbar sind etwa putrider Ausfluss am Wattestäbchen (positiver «swab test»), vulnerable Portio oder reichlich Leukozyten (>1 Leukozyt pro Epithelzelle) in der Nativuntersuchung des Vaginalsekretes. Auch eine BV («clue cells», basischer pH, Amingeruch nach KOH) sollte ausgeschlossen werden. Die BV ist gewöhnlich eine nicht-entzündliche Kondition: Ist sie durch Leukozyten begleitet, spricht der Befund für das Vorliegen einer PID. Das Fehlen von Entzündungszellen hat einen ausgezeichneten negativen prädiktiven Wert (95 %) [4] und sollte an das Vorliegen anderer Differenzialdiagnosen denken lassen. Der Nachweis aerober und anaerober Bakterien, inklusive Capnophile in einem zusätzlichen, nach Desinfektion der Ektozervix entnommenen Abstrich, gilt als wichtiger Hinweis auf einen Infekt im oberen Genitaltrakt [1].
In Tabelle 1 finden sich die Kriterien der «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) für die Diagnose einer PID [8].
Tabelle 1: Kriterien der «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) für die Diagnose einer «pelvic inflammatory disease» (PID); die Spezifität nimmt von links nach rechts zu.
Minimum-Kriterien (mind. ein Kriterium erfordert)
Zusätzliche Kriterien (erhärten den PID-Verdacht)
Faktoren, die für die Diagnose einer PID am spezifischsten sind
– Körpertemperatur (oral) >38,3 °C – Abnormaler vaginaler oder zervikaler Ausfluss – Leukorrhoe – BSR-Erhöhung, (Leukozytose) – CRP-Erhöhung – Labornachweis von Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis
– Histologischer Nachweis einer Endometritis (Endometrium-Biopsie) – Transvaginalsonographie oder Magnetresonanztomographie mit Nachweis verdickter, flüssigkeitsgefüllter Tuben, mit oder ohne freie Flüssigkeit oder Tuboovarialkomplex – Doppler-Untersuchung mit Hinweis auf Entzündung im kleinen Becken (z.B. tubare Hyperämie) – Laparoskopische Befunde, die mit PID vereinbar sind
Bei normalem zervikalem Ausfluss und fehlender Leukorrhoe gilt eine PID als unwahrscheinlich [2].
Falls Minimum-Kriterien vorliegen und eine andere Differenzialdiagnose unwahrscheinlich erscheint, sollte a) die Therapie gestartet und b) das Vorliegen von STD mittels geeigneter Diagnostik (siehe unten) evaluiert werden.
Bildgebung
Eine transvaginale Ultraschalluntersuchung (TVS) sollte routinemässig, die Magnetresonanztomographie (MRT) in ausgewählten Fällen (zwar höhere Sensitivität, aber kaum im Notfall verfügbar und kostspielig) erfolgen. Damit kann die Verdachtsdiagnose einer PID erhärtet und ein TOA oder eine andere Pathologie erkannt werden [1]. TOA liegen oft als sehr inhomogene, unterschiedliche bilaterale Adnextumore vor, zusätzlich geprägt von einem sich innert Tagen ändernden Erscheinungsbild. In der Akutphase sind die Grenzen oft unscharf bis verwaschen, vor allem das Ovar lässt sich nicht mehr abgrenzen (Tuboovarialkomplex [TOK], Abb. 1A+B). Hoch typisch für eine entzündlich veränderte Tube ist der mit Flüssigkeit gefüllte, längliche, multilokulär-zystische Hohlraum mit unvollständigen Septen [17, 18]. Für einen akuten Zustand sprechen deutlich verdickte, echogene Wände und Septen (>4–5 mm), echogene Flüssigkeit (TVS: 85% Sensitivität, bis 100% Spezifität bei klinisch diagnostizierter PID) sowie Schmerzen bei der Sonopalpation (Abb. 1C) [4, 18, 22]. Für einen chronischen Zustand sprechen eher dünne Wände und Septen (<4–5 mm), echoleerer Inhalt und Indolenz (Abb. 1D) [4, 18]. Der Übergang von akut zu chronisch ist naturgemäss fliessend. Der Nachweis von Hyperämie im Bereich der Tuben im Doppler ist für eine PID suggestiv (bis 100% Sensitivität, 80% Spezifität), lässt aber nur ungenügend zwischen akuter und chronischer PID unterscheiden [4]. Differenzialdiagnostisch muss der TOK oft gegen einen malignen Prozess in den Adnexen abgegrenzt werden [19–21]. Das sonomorphologische Bild lässt keinen Schluss auf den Erreger zu.
Laparoskopie, Endometriumbiopsie
Eine hohe diagnostische Sicherheit lässt sich nur laparoskopisch erzielen, sofern suggestive Zeichen wie Entzündung von Tuben und Uterus, Exsudate, Adhäsionen oder Abszesse zur Darstellung kommen. Dies gelingt aber – bedingt durch die hohe Interobserver-Variabilität und das Unvermögen der Methode, eine Endometritis oder eine frühe Salpingitis zu bestätigen – auch nur in 75% der Fälle.
Eine Laparoskopie gilt in der Diagnostik als Goldstandard, ist bei nicht komplizierter PID allerdings nicht zwingend indiziert und wird nicht routinemässig empfohlen. Eine gute Indikation besteht allerdings, wenn die bisherigen Untersuchungen an die Diagnose zweifeln lassen [1].
Endometritis und Salpingitis treten oft gemeinsam auf, sodass die histologisch gesicherte Endometritis eine Sensitivität von 89–92% und eine Spezifität von 63–87% für eine laparoskopisch verifizierbare akute Salpingitis aufweist. Die Rate der Patientinnen mit Salpingitis ohne Endometritis wird auf 7–22% geschätzt [4]. Allerdings kann die Endometritis bei entsprechender Klinik auch als einziges sichereres Zeichen einer PID bestehen, weshalb bei unauffälliger Laparoskopie eine Endometriumbiopsie in Betracht gezogen werden sollte [2].
Mikrobiologische Diagnose
N. gonorrhoae, C. trachomatis und M. genitalium
Bei PID-Verdacht muss eine Infektion mit N. gonorrhoeae und C. trachomatis ausgeschlossen werden [1]. Grundsätzlich gelingt der Nachweis mittels PCR im Erststrahl!-Urin sowie aus urethralen, vaginalen und/oder zervikalen Abstrichen. Da Frauen im Harn und in Urethralabstrichen deutlich niedrigere Konzentrationen sowohl von C. trachomatis als auch von N. gonorrhoeae aufweisen, ist die hohe Sensitivität der Analyse (speziell bei N. gonorrhoeae, weniger bei C. trachomatis) nur bei Zervikal- oder Vaginalabstrichen gewährleistet. Eine routinemässige Bestimmung von M. genitalium wird nicht empfohlen, allerdings sollte spätestens bei fehlendem Therapieansprechen daran gedacht werden.
Weitere laborchemische Untersuchungen
C. trachomatis-Serologie
Diese hat in der Diagnostik einer akuten PID oder zur Beurteilung des Heilungsverlaufes keinen Stellenwert [1]. Chlamydienantikörpertiter korrelieren zwar mit der Schwere der Infektion, nicht aber mit der Prognose hinsichtlich Fertilität [2]. Tritt eine PID in Assoziation mit einer STD auf, sollten entsprechende serologische Tests ausgeführt werden [1].
Schwangerschaftstest
Ein Schwangerschaftstest (SST) sollte routinemässig erfolgen, womit der Ausschluss einer EUG erleichtert werden kann.
HIV-Test
Ein HIV-Test ist bei jeder Patientin mit PID indiziert [2]; bei HIV-Positivität ist das Risiko für TOAs erhöht.
Bei PID-Verdacht sollten ein Blutbild und eine CRP-Bestimmung veranlasst werden, obschon normale Parameter eine PID keinesfalls ausschliessen [1].
Therapie
Es finden sich zahlreiche, im Kurzzeitverlauf gut belegte, auf randomisierte Studien basierende Therapieempfehlungen. Inwiefern diese die Infektion im Endometrium oder den Tuben zu beseitigen und die Inzidenz der Langzeitkomplikationen zu verändern vermögen, wurde in diesen Arbeiten allerdings nur selten untersucht. Die optimale Behandlungsstrategie und der Langzeitverlauf der unverzüglichen Therapieeinleitung schon bei subklinischer PID sind nicht bekannt [2].
Der Therapieansatz erfolgt empirisch mittels Gabe von Breitspektrumantibiotika, um eine Behandlung der wahrscheinlichsten Erreger zu gewährleisten; in jedem Fall sollte die gewählte Therapie N. gonorrhoeae und C. trachomatis abdecken [2]. Milde bis mittelschwere, nicht komplizierte PID-Fälle können auch bei Adoleszenten gut ambulant behandelt werden: die Kurz- und Langzeitprognosen sind dabei vergleichbar [3]. Eine klare Indikation zur Hospitalisation besteht bei Schwangerschaft (Frühgeburtlichkeits- und hohes maternales Morbiditätsrisiko; hier i.v.-Behandlung [2]), absehbarer chirurgischer Intervention, fehlendem Ansprechen auf PID-Therapie nach 72 Stunden, ungenügender Compliance, unklarer Diagnose (andere Differenzialdiagnose wahrscheinlich), schwerem Krankheitsbild (hohes Fieber, Nausea, Erbrechen) mit Unfähigkeit der peroralen Medikamenteneinnahme oder TOA [4]. Die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika beeinflusst die Langzeitprognose nicht [3].
Ein mögliches Behandlungsschema (gemäss Empfehlung des UniversitätsSpitals Zürich) [23] ist in Tabelle 2 abgebildet.
Tabelle 2: Therapieschema bei «pelvic inflammatory disease» (PID) [23].
Klinisches Bild
Wichtigste Erreger
Therapie 1. Wahl
Therapie 2. Wahl
Zervizitis
N. gonorrhoeae, C. trachomatis
Ceftriaxon 500 mg i.m. (Einmaldosis) + Azithromycin 1 g p.o. (Einmaldosis oder Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 7 Tage)
Bei Cephalosporinallergie: Azithromycin 2 g p.o. Einmaldosis (diese hohe Dosis wirkt gegen GO)
N. gonorrhoeae, C. trachomatis, Anaerobier, Enterobacteriaceae, Streptokokken
Ceftriaxon 1 g/d i.m. oder i.v. für 7 Tage (bei klinischer Besserung ggf. Umstellung auf Cefixim 2 × 400 mg p.o.1) + Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 14 Tage + Metronidazol 2 × 500 mg p.o. für 14 Tage
Amoxicillin/Clavulansäure 2 × 1 g p.o. für 14 Tage + Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 14 Tage2
Stationär
Ceftriaxon 1 g/d i.v. für 7 Tage (bei klinischer Besserung ggf. Umstellung auf Cefixim 2 × 400 mg p.o.1) + Doxycyclin 2 × 100 mg p.o./i.v. für 14 Tage + Metronidazol 2 × 500 mg p.o. (od. i.v.) für 14 Tage
Amoxicillin/Clavulansäure 3 × 2,2 g i.v. für 14 Tage +Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. (oder i.v.) für 14 Tage
¹ Cave: Resistenz gegen Cefixim. Bei klinischem Therapieversagen Resistenztestung durchführen und Therapie mit Ceftriaxon 1 g i.v. für 7 Tage 2 Cave: Gonokokken sind nicht abgedeckt. Diese müssen mikrobiologisch ausgeschlossen oder mitbehandelt werden (Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v. oder Cefixim 2 × 400 mg p.o., aber cave Cefixim-Resistenz, siehe1)
Alle gängigen Therapieempfehlungen zielen auf die Beseitigung von N. gonorrhoeae und C. trachomatis als häufigste Verursacher der PID.
N. gonorrhoeae
Eine Monotherapie mit Chinolonen gilt aufgrund der bestehenden Resistenzen als obsolet. Die Einmalgabe von Ceftriaxon i.m. als Drittgenerations-Cephalosporin ist in den meisten Fällen effektiv, wobei die zunehmende Cephalosporinresistenz bei N. gonorrhoeae als grosse Herausforderung für die Zukunft gelten dürfte [24].
C. trachomatis
Gängige Therapien beinhalten Azithromycin oder Doxycyclin. Das Azithromycin scheint in der Behandlung der nichtgonorrhoischen Urethritis weniger verlässlich als das Doxycyclin, sodass Azithromycin weiterhin als zweite Wahl gilt [3]. Aufgrund der häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen ist die Compliance bei der Doxycyclinverschreibung eher schlecht: In einer entsprechenden Untersuchung nahmen nur 17% der Teilnehmerinnen das Doxycyclin genau nach Vorschrift ein [4]. Möglicherweise erklärt dies die relativ hohe Rate an persistierenden Erkrankungen und Langzeitkomplikationen in der untersuchten Gruppe. Da die i.v.-Gabe von Doxycyclin schwere Phlebitiden verursachen kann und die Bioverfügbarkeit mit der peroralen Applikation vergleichbar ist, sollte das Antibiotikum vorzugsweise beziehungsweise so schnell wie möglich peroral verabreicht werden.
Anaerobier/ bakterielle Vaginose
Wie bereits erwähnt, können bei einer PID oft zeitgleich eine BV und im Endometrium und/oder oberen Genitaltrakt Anaerobier nachgewiesen werden. Diese können zwar nicht eigenständig eine PID auslösen; möglicherweise beeinträchtigen sie aber durch den produzierten Biofilm die Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika und dadurch ihre Wirksamkeit. Ob die Anaerobier die Fertilitätsprobleme im Langzeitverlauf mit erklären, ist unbekannt. Die CDC empfiehlt daher, die Anaerobier eher zu therapieren [2]. Liegt ein TOA vor, sollten die Anaerobier zwingend abgedeckt werden.
M. genitalium
Eine verlässliche Therapie von M. genitalium ist problematisch, da die meisten Stämme eine Doxycyclin- und – auch wenn weniger ausgeprägt – Azythromycinresistenz aufweisen (Heilungsraten 17–94% resp. 67–100%) [4]. Die beste Eradikationsrate wird mit Moxifloxacin erreicht. Auch hier gibt es aber schon erste Berichte über Therapieversager. Bei PID-Persistenz nach Standardtherapie sollte die Testung und gegebenenfalls Behandlung von M. genitalium erfolgen.
Tuboovarialabszess
Bei Nachweis eines TOA besteht die Indikation zur therapeutischen Laparoskopie. Abhängig von der Ausdehnung des Abszesses kann im ausgewählten Fall auch ein konservativer Therapieversuch unternommen werden. Obschon die Penetrationsfähigkeit der Antibiotika in die Abszesskapsel als beeinträchtigt gilt, dürften die Erfolgschancen bei ca. 70–84% liegen (Abb. 2) [4].
Spezialfälle
HIV-Positive
Erreger und Symptomatik sind mit denjenigen der Immunkompetenten vergleichbar. Abhängig vom Grad der Immunsuppression treten die Symptome allerdings tendenziell verstärkt auf. Zudem scheinen HIV-Infizierte häufiger einen TOA zu entwickeln als Immunkompetente [25, 26].
Obschon HIV-Patientinnen mit PID häufiger M. genitalium- und Streptokokkeninfektionen aufweisen, unterscheidet sich das Therapieansprechen nicht wesentlich von Immunkompetenten [27].
Postmenopausale Patientinnen
Die PID ist in der Postmenopause eher selten, präsentiert sich gewöhnlich mit Unterbauchschmerzen und PMP-Blutung sowie Fieber, Nausea und Darmbeschwerden. Das Risiko des TOA ist erhöht. In verschiedenen Fallbeschreibungen fanden sich in 40–47% der Präparate nach chirurgischer Abszesssanierung maligne Bestandteile von Zervix, Endometrium oder Uterus [4]. Gestützt auf diese Erkenntnis sollte bei jeder postmenopausalen Patientin mit PID ein Malignom ausgeschlossen werden.
IUD (Intrauterine Device)
Von einer leichten Erhöhung des PID-Risikos muss möglicherweise bis 20 Tage nach Insertion eines IUD ausgegangen werden; langfristig bergen moderne IUDs, inklusive Hormonspiralen, kein erhöhtes PID-Risiko. In einem Übersichtsartikel war das Risiko für das Auftreten einer PID nach IUD-Einlage in Gegenwart einer GO- oder Chlamydienzervizitis erwartungsgemäss erhöht, aber mit <5% insgesamt tief [28], und zwar unabhängig vom IUD-Typ (Kupfer- oder Hormonspirale). Gemäss aktuelleren Daten scheint ein GO-/Chlamydienscreening zum Zeitpunkt der Insertion ausreichend. Eine IUD-Entfernung bei akuter PID ist nicht prinzipiell indiziert, da randomisierte Studien an Kupfer-IUD-Trägerinnen keine signifikanten Unterschiede im Outcome zeigten. Studien an Levonorgestrel-IUD-Trägerinnen fehlen [2]. Bei IUD-Trägerinnen mit PID sollte wie bei den anderen Patientinnen eine unverzügliche empirische antibiotische Behandlung eingeleitet werden. Bei fehlender Besserung innert 48–72 Stunden sollte die IUD-Entfernung erwogen werden [2].
Prognose
Obschon in >90% der Fälle die PID kurzfristig erfolgreich behandelt wird, ist die Langzeitprognose weniger vorteilhaft: Ein Jahr nach laparoskopisch verifizierter Salpingitis und antibiotischer Behandlung nach CDC-Schema entwickeln 16% der Patientinnen eine Sterilität und 9% eine EUG. Ohne verifizierbare Salpingitis liegt die Sterilitätsrate bei 2,7% [3]. Bei 29% kommt es zu chronischen Unterbauchschmerzen und bei 15% zu Rezidiven [3]. Die Fertilität wird bei rezidivierenden PIDs und bei verzögerter Behandlungseinleitung weiter kompromittiert. Wahrscheinlich bereits früh entstehende Tubenschädigungen und die Häufigkeit subklinischer PIDs zeigen auf, welche Wichtigkeit der Thematik der Prävention eingeräumt werden sollte.
Prävention
Screening
Da 50–75% der PIDs auf Infektionen mit C. trachomatis oder N. gonorrhoeae zurückzuführen sind, sollte die Kontrolle dieser Krankheiten unbedingt angestrebt werden. Viele finanzkräftige Länder haben Programme zum Screening und zur Behandlung asymptomatischer C. trachomatis-Infektionen auf der Basis der Erkenntnis implementiert, dass in kontrollierten Studien Screening und Therapie zervikaler Chlamydieninfektionen das Risiko für die Entwicklung einer PID zwischen 30–50% in 1 Jahr zu reduzieren vermögen [3]. Die Einführung eines Chlamydienscreenings, zum Beispiel für alle sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren und für ältere Frauen mit erhöhtem Infektionsrisiko (wechselnde oder neuer Sexualpartner) sowie eines GO-Screenings bei erhöhtem Infektionsrisiko, wäre auch in unserem Land erstrebenswert.
Sexuelle Erziehung
Sexuelle Erziehung, Förderung des Kondomgebrauchs und Gewährleistung deren Verfügbarkeit sind die Grundpfeiler der Prävention von STDs und damit auch der PID.
Impfung
An der Entwicklung einer C. trachomatis- oder N. gonorrhoeae-Impfung wird gearbeitet. Der Einsatz lebender, inaktivierter Chlamydienbestandteile wird bereits klinisch erforscht.
Partnerbehandlung
Reinfektionen und rezidivierende PID durch C. trachomatis oder N. gonorrhoeae sind häufig; aus diesem Grund und zur Verhinderung der Infektion weiterer Sexualpartner ist die empirische Mitbehandlung des/der Partner von fundamentaler Bedeutung. Es sollten sämtliche Sexualpartner der letzten 60 Tage auf Chlamydien- und GO-Infektion behandelt werden respektive der letzte Sexualpartner, falls der Geschlechtsverkehr >60 Tage zurückliegt [4].
Das Wichtigste für die Praxis
• «Pelvic inflammatory disease» (PID) und Sterilität gehen Hand in Hand. Die Diagnose und proaktive, zeitnahe Einleitung der Behandlung einer Zervizitis und Infektion des unteren Genitaltraktes ermöglichen, das Sterilitätsrisiko zu senken.
• Die PID wird klinisch diagnostiziert; an das Vorliegen dieser Erkrankung muss immer gedacht werden, wenn sich junge, sexuell aktive Patientinnen wegen Unterbauchschmerzen vorstellen.
• C. trachomatis und N. gonorrhoeae gelten als häufigste Erreger einer PID. Die Rolle der Anaerobier in Bezug auf Ausprägung und Verlauf einer PID ist nicht restlos geklärt. Eine Mitbehandlung dieser Erreger sollte grundsätzlich evaluiert werden respektive bei Abszessen immer erfolgen.
• Die Einführung geeigneter Screeningverfahren und die Entwicklung verlässlicher Methoden zur Feststellung inapperzepter Infektionen dürften die Rate der Langzeitkomplikationen (Fertilitätsprobleme, EUG, chronische Bauchschmerzen) senken.
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Korrespondenz
Dr. med. Gian-Piero Ghisu Oberarzt meV Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich Frauenklinikstrasse 10 8091 Zürich gian-piero.ghisu[at]usz.ch
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