Partizipative Umgangsformen und Behandlungszufriedenheit.
Einführung
Ebenso wie in anderen Bereichen der Medizin führte das Bemühen um eine bessere therapeutische Mitbeteiligung und einen besseren Einbezug der Patienten auch in der stationären Psychiatrie und Psychotherapie seit etlichen Jahren zu einer zunehmend «partnerschaftlichen», «beratenden» Haltung in der Arzt-Patienten-Beziehung. Dies und die Etablierung von Materialien und Methoden sollten den früher oft paternalistischen Kommunikationsstil von Mitarbeitern der Kliniken mit Patienten und Dritten in Richtung auf eine «Medizin auf Augenhöhe» entwickeln helfen. Als Mittel z.B. gegen die Stigmatisierung von Krankheiten wie Psychosen wurden dazu Elemente der Psychotherapie [1, 2] oder komplexere Konzepte wie «Empowerment» (verstanden z.B. als das Anliegen der Betroffenen auf eine subjektorientierte, personalisierte Psychiatrie [3]) in die Behandlung integriert. Die heute oft bereits selbstverständliche Anwendung von therapeutischen Bausteinen, wie der Psychoedukation, dem Etablieren von therapeutischen Vereinbarungen für eine eventuelle Wiederaufnahme und dem strikten Einbeziehen der Patienten in alle Schritte der Therapieplanung, führten – ebenso wie jener Wandel der institutionellen Kommunikation in Richtung auf partizipative Umgangsformen (z.B. «shared decision making») – zu atmosphärischen, aber auch zu messbaren Veränderungen in den Kliniken und Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie [4, 5].
Neben vielen einzelnen Materialien und Methoden wurden dazu in den letzten Jahren auch modulare Systeme entwickelt [6]. Ein solches modulares System ist das im Folgenden behandelte Kompass-Modulsystem der Firma Janssen [7].
Bausteine dieses modularen Programms sind definierte Materialien und Methoden
– zur Psychoedukation;
– zum Thema «shared decision making» (partizipative Entscheidungsfindung);
– mit einer Fokussierung auf den Bereich «Adherence» (Verbesserung der Befähigungen betroffener Patienten zur aktiveren Mitwirkung an ihrem Gesundungsprozess);
– zur Therapiezielplanung, hier vor allem die konstantere und klarer definierte Einbeziehung des Patienten in die Planung seiner Behandlung im Verlauf und seiner Entlassung.
In der im Folgenden dargestellten Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob die Etablierung eines solchen modularen Systems die Behandlungszufriedenheit von Patienten spezifisch beeinflussen kann. (Die allgemeine Behandlungszufriedenheit als ein weit komplexeres Konstrukt war nicht Gegenstand der Untersuchung.)
In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungsklinik (Landesbettenplan: 202 vollstationäre und 75 tagesklinische Behandlungsplätze, verteilt auf 11 spezialisierte Stationen, davon eine Spezialstation für die differenzierte Diagnostik und Behandlung von Psychosen, ferner 4 Tageskliniken und eine grosse psychiatrische Institutsambulanz) wurde das vorstehend beschriebene Kompass-Modulsystem [7] etabliert. Zu diesem Zeitpunkt wurden in der Klinik diverse andere Ansätze aus den Bereichen Psychoedukation und partizipativer Entscheidungsfindung praktiziert, die im Verlauf der Zeit unsystematisch installiert worden waren.
Methodik
Je 30 Patienten der Klinik wurden vor und nach der Einführung des Kompass-Programms in die Untersuchung eingeschlossen. Sie stammten jeweils hälftig aus der Institutsambulanz und von den Stationen. Zu Beginn des jeweiligen Untersuchungszeitraumes wurden alle einwilligungsfähigen Patienten mit Psychosen von den ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern angesprochen und jeweils solange Patienten rekrutiert, bis die angestrebte Fallzahl erreicht war. Voraussetzung für die Teilnahme war das Vorliegen einer Erkrankung aus dem psychotischen Formenkreis (fachärztlich gesicherten Diagnose einer ICD-10-Diagnose F2x.xx), sowie der «informed consent» mit der zugehörigen Grundvoraussetzung der Einwilligungsfähigkeit und die Behandlung in dem jeweiligen Zeitraum als stationärer oder ambulanter, erwachsener Patient der Klinik.
Die Patientenbefragung erfolgte mithilfe eines auf mögliche Veränderungen angelegten, selbst entworfenen Fragebogens (Abb. 1), der aus 19 möglichst einfach und verständlich gehaltenen Aussagen/Fragen bestand. 5 Fragen waren nach dem Ja/Nein-Prinzip anzukreuzen, bei den übrigen 14 Aussagen war der Grad der Zustimmung von dem Patienten auf einer fünfstufigen Likert-Skala einzuschätzen. Der Fragebogen bezog sich auf die spezifische Behandlungszufriedenheit, die Therapiezielplanung, den Krisenpass und die Psychoedukation.
Abbildung 1: Fragebogen. |
Kat. | Wortlaut | Typ |
A1 | Während des Klinikaufenthaltes fühlte ich mich ernst genommen | L |
A2 | Ich bin über mein aktuelles Krankheitsbild informiert worden | L |
A3 | Meine Fragen zur Behandlung und zu Diagnosen wurden stets ausreichend beantwortet | L |
A4 | Ich habe die Aufklärungen über die Medikamente verstanden | L |
A5 | Ich bin mit den Erklärungen und Erläuterungen der Ärzte und Therapeuten zufrieden | L |
T1 | Mit mir wurde eine Therapiezielplanung besprochen | j/n |
T2 | Die Therapieziele wurden stets mit mir zusammen festgelegt | L |
T3 | Ich bin in alle Therapieentscheidungen eingebunden worden | L |
P1 | Ich habe an der Psychoedukation teilgenommen | j/n |
P2 | Ich bin mit der Psychoedukation zufrieden | L |
P3 | Ich habe die Inhalte der Psychoedukation verstanden | L |
P4 | Ich finde es gut, dass Psychoedukation angeboten wurde / wird | L |
P5 | Ich habe Aufklärungsmaterial über Psychosen zum Mitnehmen erhalten | j/n |
P6 | Ich bin mit den Psychoedukations-Materialien (Hefte, Bögen…) zufrieden | L |
P7 | Ich fand die Psychoedukationsmaterialien für mich selbst hilfreich und geeignet | L |
P8 | Ich würde gern auch nach der Entlassung weiter an der Psychoedukation teilnehmen | j/n |
K1 | Ich habe einen Krisenplan erhalten | j/n |
K2 | Ich fand den Krisenplan hilfreich | L |
A (ges.) | Ich war mit meiner Behandlung sehr zufrieden | L |
Kat = Kategorie: A = allgemeine Therapiebeurteilung, T = Therapiezufriedenheit, P = Psychoedukation, K= Krisenplan (Ziffern bezeichnen die Folge der Fragen, ges. = Gesamteinschätzung), Typ: j/n = ja-nein-Fragen, L = Likert-Skala (Trifft zu: ++; +; +/-; -; --). |
Die «spezifische Behandlungszufriedenheit» wurde aus dem Summenwert der Frage A1 bis A5 errechnet. Den Abschluss des Fragebogens bildet die globale Frage, ob der Patient im Gesamten mit seiner Behandlung zufrieden war.
Es wurden u.a. folgende anthropometrische Daten erhoben: Alter, Geschlecht, gesetzliche Betreuung, Wohnform, Anzahl vorangegangener Klinikaufenthalte, bisherige Dauer der psychotischen Erkrankung, psychiatrische und somatische Diagnosen, aktuell verordnete Medikation.
Zur Einschätzung des Schweregrades der psychotischen Erkrankung wurde die «Brief Psychiatric Rating Scale» (BPRS-24) in der deutschen Version eingesetzt [8].
Alle direkt patientenbezogenen Bögen wurden durch die Vergabe einer fortlaufenden Nummerierung ohne Namens- oder Kürzelangabe anonymisiert.
Ein positives Ethikkommitee-Votum der zuständigen Landesärztekammer Brandenburg lag vor Beginn der Untersuchungen vor.
Die statistische Auswertung der vorgenannten Parameter erfolgte mit der Version 22 des Statistik-Programms SPSS, Gruppenunterschiede wurden mit t-Tests auf ihre Signifikanz geprüft, soweit die Variablen normalverteilt waren. Bei nicht normalverteilten Variablen, hier insbesondere bei den anhand der Likert-Skalen gewonnen Werte, wurde der Mann-Whitney U-Test angewandt. Für die Bestimmung der Effektstärke wurde der Koeffizient Cohen’s d mit Psychometrika [9] berechnet.
Zielvariable der Untersuchung war die «spezifische Behandlungszufriedenheit / shared decision making» (Summenwert der Items A1 bis A5). Nur explorativ wurden die einzelnen Variablen A1 bis A5 und das letzte Item des Fragebogens, die «allgemeine Behandlungszufriedenheit», getestet. Nur die anhand der Likert-Skalen bewerteten Items fanden Eingang in die statistische Auswertung von Differenzen zwischen den Gruppen. Kategoriale Variablen wurden statistisch nicht ausgewertet, weil sie im Hinblick auf die Zielvariable der Untersuchung nicht von Belang waren.
Ergebnisse
Anthropometrische Merkmale der beiden Gruppen
Die anthropometrischen Daten der jeweils 30 Patienten aus den Zufallsstichproben der beiden Erhebungsintervalle Gr1 (Anfang 2014) und Gr2 (Anfang 2015) wiesen in keinem der nachfolgend dargestellten Merkmale statistisch signifikante Unterschiede auf (p <0.05):
Die Probanden der ersten Stichprobe (Gr1) waren im Mittel etwas älter als die der zweiten Stichprobe (Gr2). In beiden Gruppen nahmen mehr Männer als Frauen teil. Wiederum ohne statistisch signifikante Unterschiede hatten mehr Probanden aus der ersten Stichprobe einen gesetzlichen Betreuer und wohnten in einem betreuten Wohnumfeld. Die Anzahl der von den Befragten angegebenen vorhergehenden Klinikbehandlungen lag in der Gruppe Gr1 mit 10 Vorbehandlungen etwas höher als in der zweiten Stichprobengruppe, wohingegen die Dauer des bisherigen Krankheitsverlaufs in beiden Gruppen mit im Mittel 11,5 Jahren fast identisch war. Auch die Verteilung der verschiedenen F2-Kategorie-Diagnosen innerhalb der beiden Gruppen unterschied sich nicht signifikant, wobei in beiden Gruppen die ICD-10-Diagnose F20.0 (paranoide Schizophrenie) am häufigsten vorkam. Schliesslich wies auch die Symptomschwere der beiden Stichproben Gr1 und Gr2 (gemessen an der BPRS-Gesamtpunktzahl der Patienten) keine signifikanten Unterschiede auf. Tendenziell wurden in der zweiten Gruppe (Gr2) etwas häufiger Medikamente aus Nicht-Antipsychotika-Präparategruppen verordnet. Die Details können den Tabellen 1 und 2 entnommen werden.
Tabelle 1: Anthropometrische Daten der beiden Gruppen. |
Merkmal | Gr1 | Gr2 |
| MW | SD | MW | SD |
Alter (Jahre) | 39,4 | 12,8 | 36,8 | 12,2 |
Grösse (cm) | 174,4 | 10,0 | 168,0 | 32,3 |
Gewicht (kg) | 88,5 | 16,3 | 90,6 | 19,2 |
Frauen : Männer | 12 : 18 | | 13 : 17 | |
Gesetzlicher Betreuer | 11 / 30 | | 7 / 30 | |
Betreutes Wohnen | 8 / 30 | | 6 / 30 | |
Anzahl Klinikbehandlungen | 10,1 | 13,2 | 6,4 | 8,6 |
Dauer Krankheitsverlauf (Jahre) | 11,6 | 8,4 | 11,5 | 10,5 |
Diagnose F20.0 | 11 / 30 | | 13 / 30 | |
Symptomschwere (BPRS) | 43,5 | 11,9 | 42,9 | 12,8 |
Gr 1 = erste Stichprobengruppe Messbeginn im Frühjahr 2014, Gr 2: zweite Stichprobengruppe Messbeginn im Frühjahr 2015, MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung. Keine der dargestellten Variablen unterschieden sich in den Gruppen signifikant voneinander. |
Tabelle 2: Verordnete psychiatrische Medikamente. |
Wirkstoffgruppen | Gr1 | Gr2 |
«First generation» Antipsychotika | 0 | 1 |
«Second generation» Antipsychotika | 28 | 28 |
Niedrigpotente Antipsychotika | 5 | 7 |
Depot-Antipsychotika | 0 | 0 |
Benzodiazepine | 5 | 6 |
Antidepressiva | 6 | 7 |
Mood stabilizer | 8 | 9 |
Gr1 = erste Stichprobengruppe Frühjahr 2014, Gr2: zweite Stichprobengruppe Frühjahr 2015, je n = 30 |
Auswertung der spezifischen Fragebögen
Wie bereits beschrieben, war der für diese Untersuchung erstellte Fragebogen in mehrere Bereiche gegliedert, die jeweils gesondert ausgewertet wurden. Er enthielt:
– fünf Fragen zur spezifischen Zufriedenheit mit der Behandlung / Fokus «shared decision making»;
– drei Fragen zur Therapiezielplanung;
– acht Fragen zur Psychoedukation;
– zwei Fragen zum Krisenplan;
– eine Frage zur allgemeinen Zufriedenheit mit der Behandlung.
Die Zielvariable der Untersuchung, die «spezifische Behandlungszufriedenheit mit dem Fokus shared decision making» (Mittelwert der Summe A1-A5 (s. Abb. 1), wurde von den Patienten der Gr2 signifikant besser bewertet als von jenen aus Gr1 (s. Tab. 3). Einzeln betrachtet, wiesen die zum Summenwert beitragenden, hier nur explorativ getesteten einzelnen Fragen des Fragebogens (A1-A5) und die «allgemeine Behandlungszufriedenheit» keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen Gr1 und
Gr2 auf.
In der zweiten Gruppe gaben die Patienten etwas öfter an, dass mit ihnen eine Therapiezielplanung besprochen worden sei, auch hatten etwas mehr Patienten der zweiten Gruppe an der Psychoedukation teilgenommen, Material zur Psychoedukation angenommen und einen Krisenplan angelegt. Die Materialien und Methoden zu beiden vorgenannten Verfahren wurden allen Patienten angeboten.
Die einzelnen Ergebnisse sind der Tabelle 3 zu entnehmen.
Tabelle 3: Auswertung des Fragebogens. |
Bezeichnung | Gr1 (MW) | Gr1 (SD) | Gr2 (MW) | Gr2 (SD) | Signifikanz |
Allgemeine Behandlungszufriedenheit / Shared Decision Making | 20,90 | 2,94 | 22,33 | 2,51 | P =0,04* |
Therapiezielplanung ja/nein | 20/10 | | 21/9 | | |
Therapiezielplanung Bewertung | 8,25 | 1,59 | 8,29 | 1,55 | n.s. |
Psychoedukation: Teilnahme: ja/nein | 25 / 5 | | 27/3 | | |
Psychoedukation: Bewertung des Angebots | 8,76 | 1,17 | 8,44 | 1,31 | n.s. |
Psychoedukation: Wertschätzung des Angebots | 4,23 | 1,57 | 4,59 | 0,63 | n.s. |
Psychoedukation: Materialien erhalten ja/nein | 15/15 | | 18/12 | | |
Psychoedukation: Bewertung Materialien | 7,87 | 1,506 | 8,82 | 1,31 | n.s. |
Psychoedukation: Fortsetzung nach Entlassung ja/nein | 20/10 | | 15/14** | | |
Krisenplan erhalten ja/nein | 12/18 | | 16/14 | | |
Krisenplan hilfreich | 3,82 | 0,88 | 4,38 | 0,89 | n.s. |
Bewertung Behandlung allgemein | 4,37 | 0,81 | 4,17 | 0,95 | n.s. |
Gr1 = erste Stichprobengruppe Frühjahr 2014, Gr2: zweite Stichprobengruppe Frühjahr 2015, MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung, n.s = nicht signifikant, *Effektstärke: Cohen’s d = 0,52, ** einmal keine Antwort |
Diskussion
In unserer Untersuchung fanden wir eine statistisch signifikante Zunahme der spezifischen Behandlungszufriedenheit mit dem Fokus «shared decision making» (Zufriedenheit mit Aufklärung über die und Einbezug in die Therapie: s. Items 1–5, Abb. 1). Hingegen führten die Fragen nach den spezifischen Materialien und Methoden des Kompass-Systems sowie die – hier nur explorativ getestete – allgemein gehaltene Aussage «Ich war mit meiner Behandlung sehr zufrieden» nicht zu einer signifikanten Unterscheidung zwischen beiden Gruppen. Bei einer teilweisen Überlappung der Konzepte dürften in das komplexe Konstrukt der «allgemeinen Behandlungszufriedenheit» auch andere Aspekte von Setting und Behandlung eingegangen sein, die in unserer Studie nicht erfasst und untersucht wurden.
Komplexe Therapieansätze und der Einsatz von Psychotherapiemethoden und Psychoedukation in der Behandlung von Patienten mit Psychosen werden heute von den entsprechenden Leitlinien empfohlen [10, 11].
Dabei ist die Wirksamkeit von verhaltenstherapeutischen Psychotherapieansätzen ebenso belegt wie der Einsatz von systemischen Interventionen und Psychoedukation oder sozialem Kompetenztraining [12]. Diese Elemente sind als Bausteine im Kompass-Modulsystem integriert.
Auch für Prodromalstadien psychotischer Erkrankung, wie sie in psychiatrischen Versorgungskliniken nicht selten detektiert werden, ist ein Therapieansatz, der einen multimodalen psychosozialen Ansatz verfolgt, zum frühen Symptommanagement geeignet [13].
Insbesondere scheinen multimodale Therapieansätze dann wirksam zu sein, wenn die therapeutische Beziehung durch die Intervention beleuchtet und verbessert wird und wenn die Therapieansätze geeignet sind, das Krankheitsverständnis des Patienten und seine Erwartungen zu hinterfragen [14].
Mit ganz ähnlichen Ergebnissen werden die Interventionen auch aus der Sicht der betreuenden Personen beurteilt [15], insbesondere wenn die Interventionen eine Verbindlichkeit, wie etwa schriftliche Therapievereinbarungen oder konkrete Instruktionen – unter Berücksichtigung der krankheitsimmanenten kognitiven Defizite – aufweisen [16–18].
In einer kürzlich publizierten Studie untersuchten Blindzellner et al. [4] an 216 Patienten einer grossen Versorgungsklinik deren Zufriedenheit mit der Aufklärung in der Klinik, der individuellen Zufriedenheit mit der bzw. dem Grad der Zustimmung zur Verordnung der Therapie und mit dem objektivem Wissen der Betroffenen über ihre Psychopharmaka-Medikation. Dabei fanden sie weder einen Zusammenhang zwischen dem Medikationswissen und der einstellungsbezogenen Adhärenz noch zwischen Medikationswissen und Zufriedenheit mit der Therapie. Jedoch ergab sich ein starker Zusammenhang zwischen dem Grad der einstellungsbezogenen Adhärenz und der Zufriedenheit mit der Information, wobei hier eben nicht das tatsächliche Wissen, sondern das subjektive Gefühl des Patienten, gut aufgeklärt worden zu sein, die Zufriedenheit mit der verordneten Therapie bedingte.
Auch das im Kompass-Programm beinhaltete metakognitive Training könnte einen eigenen positiven Einfluss auf das Gefühl des Sich-einbezogen-Fühlens der Patienten bewirken; es könnte darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die Einsichtsfähigkeit haben [19–21].
Selbstverständlich hat unsere Untersuchung angesichts ihres Designs und der Stichprobengrösse erhebliche Grenzen in ihrer Verallgemeinerbarkeit. Die Datenerhebung erfolgte lediglich als therapiebegleitende Befragung ohne Kontrollgruppen. Auch sind wir nicht in der Lage zu differenzieren, ob eher die Methoden und Materialien an sich die dargestellte Zunahme der spezifischen Behandlungszufriedenheit bedingten, ob das Etablieren der Materialien die Frequenz des Annehmens von therapeutischen Angeboten durch die Patienten tatsächlich erhöhte (in der zweiten Gruppe nahmen etwas mehr Patienten an der Psychoedukation teil) oder ob die Schulung durch die Mitarbeiter bei der Einführung der Methoden und Materialien eines solchen modularen Systems diesen Effekt erzielte oder ob etwas gänzlich anderes einen Einfluss darauf hatte. Zudem steht hier «Kompass» sicherlich nur als ein möglicher Vertreter für ein solches System. Auch zwei Jahre nach dem Etablieren wird ein grösserer Teil der Materialien und Methoden des Kompass-Modulsystems von den Mitarbeitern weiterhin gerne eingesetzt.
Die Autoren danken Frau Dr. Sabine Saluschke und Herrn Dr. Arne Lehmann für ihre tatkräftige Mitarbeit im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit.
Im Rahmen eines formalen Projektvertrages stellte die Firma Janssen der Klinik die Schulungen und die Kompass-Materialien zur Verfügung. Finanzielle Mittel wurden weder an die Klinik noch an die beteiligten Personen gezahlt.
Felix Hohl-Radke, MD
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Asklepios Fachklinikum Brandenburg
Anton-Saefkow-Allee 2
D-14772 Brandenburg an der Havel
f.hohl[at]asklepios.com
1 Scharfetter C. Psychotherapie für Schizophrene. Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother. 1999;150(05):217–24.
2 Modestin J. Psychotherapeutischer Einfluss auf Einsicht und Therapie-Compliance. Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother. 2008;159(03):112–8.
3 Huber CG, Sowislo JF, Schneeberger AR, Flury Bodenmann B, Lang UE. Empowerment – ein Weg zur Entstigmatisierung. Swiss Archives of Neurology and Psychiatry. 2015;166(07):224–31.
4 Blindzellner LK, Kuhn MB, Lenhart S, Lemsch V, Albus M: Adhärenz, Therapiezufriedenheit und – information bei stationären psychiatrischen Patienten. Psychopharmakotherapie 2016;23:
204–8.
5 Stovell D, Morrison AP, Panayiotou M, Hutton P. Sharedtreatmentdecision-making and empowerment-related outcomes in psychosis: systematic review and meta-analysis. Br J Psychiatry. 2016;209(1):23–8.
6 Staring AB, Van der Gaag M, Koopmans GT, Selten JP, Van Beveren JM, Hengeveld MW et al. Treatmentadherencetherapy in people with psychotic disorders: randomised controlled trial.
Br J Psychiatry. 2010;197(6):448–55.
7 Kompass Therapiebegleiter. (Internet) Janssen-Cilag GmbH c2015–2018 [zitiert am 8. Juli 2018]. Verfügbar auf:
https://www.kompass-therapiebegleiter.de/
8 Ventura J, Lukoff D, Nuechterlein KH, Liberman RP, Green M, Shaner A. Appendix 1: Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) Expanded version (4.0) scales, anchor points and administration manual. International Journal of Methods in Psychiatric. 1993;3:227–44. (deutsche Übersetzung der Items und Ankerpunkte: Wolfgang Kaiser).
9 Lenhard A, Lenhard W. Psychometrica. Berechnung von Effektstärken [Software. Zitiert am 8.Juli 2018.] Verfügbar auf:
http://www.psychometrica.de/effektstaerke.html
10 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (Hrsg.) S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. AWMF-Registrierungsnummer: 038-020. German
11 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde DGPPN (Hrsg.). S3 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Band 1 – Behandlungsleitlinie Schizophrenie. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, November 2005. German.
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13 Bechdolf A, Wagner M, Ruhrmann S, Harrigan S, Putzfeld V, Pukrop R et al. Preventingprogression to first-episodepsychosis in early initial prodromal states. Br J Psychiatry. 2012;200(1):22–9.
14 Haddad PM, Brain C, Scott J. Nonadherence with antipsychotic medication in schizophrenia: challenges and management strategies.Patient Relat Outcome Meas. 2014;5:43–62.
15 Yesufu-Udechuku A, Harrison B, Mayo-Wilson E, Young N, Woodhams P, Shiers D et al.. Interventions to improve the experience of caring for people with severe mental illness: systematic review and meta-analysis. Br J Psychiatry. 2015;206(4):268–74.
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21 Moritz S, Andreou C, Schneider BC, Wittekind CE, Menon M, Balzan RP et al. Sowing the seeds of doubt: a narrative review on metacognitive training in schizophrenia. Clin Psychol Rev. 2014;34:
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