Einsatz eines modularen Therapiesystems bei Patienten mit Psychosen
Partizipative Umgangsformen und Behandlungszufriedenheit

Einsatz eines modularen Therapiesystems bei Patienten mit Psychosen

Original Article
Issue
2018/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/sanp.2018.00595
Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother. 2018;169(05):151-155

Affiliations
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Asklepios Fachklinikum Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland

Published on 07.08.2018

Partizipative Umgangsformen und Behandlungszufriedenheit.

Einführung

Ebenso wie in anderen Bereichen der Medizin führte das Bemühen um eine bessere therapeutische Mit­beteiligung und einen besseren Einbezug der Patienten auch in der stationären Psychiatrie und Psycho­therapie seit etlichen Jahren zu einer zunehmend «partnerschaftlichen», «beratenden» Haltung in der Arzt-Patienten-Beziehung. Dies und die Etablierung von Materialien und Methoden sollten den früher oft paternalistischen Kommunikationsstil von Mitarbeitern der Kliniken mit Patienten und Dritten in Richtung auf eine «Medizin auf Augenhöhe» entwickeln helfen. Als Mittel z.B. gegen die Stigmatisierung von Krankheiten wie Psychosen wurden dazu Elemente der Psychotherapie [1, 2] oder komplexere Konzepte wie «Empowerment» (verstanden z.B. als das Anliegen der Betroffenen auf eine subjektorientierte, personalisierte Psychiatrie [3]) in die Behandlung integriert. Die heute oft bereits selbstverständliche Anwendung von therapeutischen Bausteinen, wie der Psychoedukation, dem Etablieren von therapeutischen Vereinbarungen für eine eventuelle Wiederaufnahme und dem strikten Einbeziehen der Patienten in alle Schritte der Therapieplanung, führten – ebenso wie jener Wandel der institutionellen Kommunikation in Richtung auf partizipative Umgangsformen (z.B. «shared decision making») – zu ­atmosphärischen, aber auch zu messbaren Verän­derungen in den Kliniken und Abteilungen für Psy­chiatrie und Psychotherapie [4, 5].
Neben vielen einzelnen Materialien und Methoden wurden dazu in den letzten Jahren auch modulare ­Systeme entwickelt [6]. Ein solches modulares System ist das im Folgenden behandelte Kompass-Modul­system der Firma Janssen [7].
Bausteine dieses modularen Programms sind definierte Materialien und Methoden
– zur Psychoedukation;
– zum Thema «shared decision making» (partizipative Entscheidungsfindung);
– mit einer Fokussierung auf den Bereich «Adherence» (Verbesserung der Befähigungen betroffener Patienten zur aktiveren Mitwirkung an ­ihrem Gesundungsprozess);
– zur Therapiezielplanung, hier vor allem die konstantere und klarer definierte Einbeziehung des ­Pa­tienten in die Planung seiner Behandlung im ­Verlauf und seiner Entlassung.
In der im Folgenden dargestellten Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob die Etablierung ­eines solchen modularen Systems die Behandlungs­zufriedenheit von Patienten spezifisch beeinflussen kann. (Die allgemeine Behandlungszufriedenheit als ein weit komplexeres Konstrukt war nicht Gegenstand der Untersuchung.)
In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungsklinik (Landesbettenplan: 202 vollstationäre und 75 ­tagesklinische Behandlungsplätze, verteilt auf 11 spezialisierte Stationen, davon eine Spezialstation für die differenzierte Diagnostik und Behandlung von Psychosen, ferner 4 Tageskliniken und eine grosse psychiatrische Institutsambulanz) wurde das vor­stehend ­beschriebene Kompass-Modulsystem [7] ­etabliert. Zu diesem Zeitpunkt wurden in der Klinik ­diverse andere Ansätze aus den Bereichen Psycho­edukation und partizipativer Entscheidungsfindung praktiziert, die im Verlauf der Zeit unsystematisch ­installiert worden waren.

Methodik

Je 30 Patienten der Klinik wurden vor und nach der Einführung des Kompass-Programms in die Untersuchung eingeschlossen. Sie stammten jeweils hälftig aus der Institutsambulanz und von den Stationen. Zu Beginn des jeweiligen Untersuchungszeitraumes wurden alle einwilligungsfähigen Patienten mit Psychosen von den ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern angesprochen und jeweils solange Patienten rekrutiert, bis die angestrebte Fallzahl erreicht war. ­Voraussetzung für die Teilnahme war das Vorliegen ­einer Erkrankung aus dem psychotischen Formenkreis (fachärztlich gesicherten Diagnose einer ICD-10-Diagnose F2x.xx), sowie der «informed consent» mit der ­zugehörigen Grundvoraussetzung der Einwilligungsfähigkeit und die Behandlung in dem jeweiligen Zeitraum als stationärer oder ambulanter, erwachsener ­Patient der Klinik.
Die Patientenbefragung erfolgte mithilfe eines auf mögliche Veränderungen angelegten, selbst entworfenen Fragebogens (Abb. 1), der aus 19 möglichst einfach und verständlich gehaltenen Aussagen/Fragen bestand. 5 Fragen waren nach dem Ja/Nein-Prinzip anzukreuzen, bei den übrigen 14 Aussagen war der Grad der Zustimmung von dem Patienten auf einer fünfstufigen Likert-Skala einzuschätzen. Der Fragebogen bezog sich auf die spezifische Behandlungszufriedenheit, die Therapiezielplanung, den Krisenpass und die Psychoedukation.
Abbildung 1: Fragebogen.
Kat.WortlautTyp
A1Während des Klinikaufenthaltes fühlte ich mich ernst genommenL
A2Ich bin über mein aktuelles Krankheitsbild ­informiert wordenL
A3Meine Fragen zur Behandlung und zu Diagnosen wurden stets ausreichend beantwortetL
A4Ich habe die Aufklärungen über die Medikamente verstandenL
A5Ich bin mit den Erklärungen und Erläuterungen der Ärzte und Therapeuten zufriedenL
T1Mit mir wurde eine Therapiezielplanung ­besprochenj/n
T2Die Therapieziele wurden stets mit mir ­zusammen festgelegtL
T3Ich bin in alle Therapieentscheidungen ­eingebunden wordenL
P1Ich habe an der Psychoedukation teilgenommenj/n
P2Ich bin mit der Psychoedukation zufriedenL
P3Ich habe die Inhalte der Psychoedukation ­verstandenL
P4Ich finde es gut, dass Psychoedukation ­angeboten wurde / wirdL
P5Ich habe Aufklärungsmaterial über Psychosen zum Mitnehmen erhaltenj/n
P6Ich bin mit den Psychoedukations-Materialien (Hefte, Bögen…) zufriedenL
P7Ich fand die Psychoedukationsmaterialien für mich selbst hilfreich und geeignetL
P8Ich würde gern auch nach der Entlassung ­weiter an der Psychoedukation teilnehmenj/n
K1Ich habe einen Krisenplan erhaltenj/n
K2Ich fand den Krisenplan hilfreichL
A (ges.)Ich war mit meiner Behandlung sehr zufriedenL
Kat = Kategorie: A = allgemeine Therapiebeurteilung, T = Therapie­zufriedenheit, P = Psychoedukation, K= Krisenplan (Ziffern bezeichnen die Folge der Fragen, ges. = Gesamteinschätzung), Typ: j/n = ja-nein-Fragen, L = Likert-Skala (Trifft zu: ++; +; +/-; -; --).
Die «spezifische Behandlungszufriedenheit» wurde aus dem Summenwert der Frage A1 bis A5 errechnet. Den Abschluss des Fragebogens bildet die globale Frage, ob der Patient im Gesamten mit seiner Behandlung zufrieden war.
Es wurden u.a. folgende anthropometrische Daten ­erhoben: Alter, Geschlecht, gesetzliche Betreuung, Wohnform, Anzahl vorangegangener Klinikaufenthalte, bisherige Dauer der psychotischen Erkrankung, psychiatrische und somatische Diagnosen, aktuell verordnete Medikation.
Zur Einschätzung des Schweregrades der psychotischen Erkrankung wurde die «Brief Psychiatric Rating Scale» (BPRS-24) in der deutschen Version eingesetzt [8].
Alle direkt patientenbezogenen Bögen wurden durch die Vergabe einer fortlaufenden Nummerierung ohne Namens- oder Kürzelangabe anonymisiert.
Ein positives Ethikkommitee-Votum der zuständigen Landesärztekammer Brandenburg lag vor Beginn der Untersuchungen vor.
Die statistische Auswertung der vorgenannten Parameter erfolgte mit der Version 22 des Statistik-­Programms SPSS, Gruppenunterschiede wurden mit ­t-Tests auf ihre Signifikanz geprüft, soweit die Varia­blen normalverteilt waren. Bei nicht normalverteilten Variablen, hier insbesondere bei den anhand der Likert-Skalen gewonnen Werte, wurde der Mann-­Whitney U-Test angewandt. Für die Bestimmung der Effektstärke wurde der Koeffizient Cohen’s d mit Psychometrika [9] berechnet.
Zielvariable der Untersuchung war die «spezifische ­Behandlungszufriedenheit / shared decision making» (Summenwert der Items A1 bis A5). Nur explorativ ­wurden die einzelnen Variablen A1 bis A5 und das letzte Item des Fragebogens, die «allgemeine Behandlungszufriedenheit», getestet. Nur die anhand der Likert-Skalen bewerteten Items fanden Eingang in die statistische Auswertung von Differenzen zwischen den Gruppen. Kategoriale Variablen wurden statistisch nicht ausgewertet, weil sie im Hinblick auf die Ziel­variable der Untersuchung nicht von Belang waren.

Ergebnisse

Anthropometrische Merkmale der beiden Gruppen

Die anthropometrischen Daten der jeweils 30 Patienten aus den Zufallsstichproben der beiden Erhebungsintervalle Gr1 (Anfang 2014) und Gr2 (Anfang 2015) wiesen in keinem der nachfolgend dargestellten Merkmale statistisch signifikante Unterschiede auf (p <0.05):
Die Probanden der ersten Stichprobe (Gr1) waren im Mittel etwas älter als die der zweiten Stichprobe (Gr2). In beiden Gruppen nahmen mehr Männer als Frauen teil. Wiederum ohne statistisch signifikante Unterschiede hatten mehr Probanden aus der ersten Stichprobe einen gesetzlichen Betreuer und wohnten in ­einem betreuten Wohnumfeld. Die Anzahl der von den Befragten angegebenen vorhergehenden Klinik­behandlungen lag in der Gruppe Gr1 mit 10 Vorbe­handlungen etwas höher als in der zweiten Stichprobengruppe, wohingegen die Dauer des bisherigen Krankheitsverlaufs in beiden Gruppen mit im Mittel 11,5 Jahren fast identisch war. Auch die Verteilung der verschiedenen F2-Kategorie-Diagnosen innerhalb der beiden Gruppen unterschied sich nicht signifikant, wobei in beiden Gruppen die ICD-10-Diagnose F20.0 (paranoide Schizophrenie) am häufigsten vorkam. Schliesslich wies auch die Symptomschwere der beiden Stichproben Gr1 und Gr2 (gemessen an der BPRS-Gesamtpunktzahl der Patienten) keine signifikanten Unterschiede auf. Tendenziell wurden in der zweiten Gruppe (Gr2) etwas häufiger Medikamente aus Nicht-Antipsychotika-Präparategruppen verordnet. Die Details können den Tabellen 1 und 2 entnommen werden.
Tabelle 1: Anthropometrische Daten der beiden Gruppen.
MerkmalGr1Gr2
 MWSDMWSD
Alter (Jahre)39,412,836,8 12,2
Grösse (cm)174,410,0168,0 32,3
Gewicht (kg)88,5 16,390,6 19,2
Frauen : Männer12 : 18 13 : 17 
Gesetzlicher Betreuer11 / 30 7 / 30 
Betreutes Wohnen8 / 30 6 / 30 
Anzahl Klinikbehandlungen10,113,26,48,6
Dauer Krankheitsverlauf (Jahre)11,68,411,510,5
Diagnose F20.011 / 30 13 / 30 
Symptomschwere (BPRS)43,5 11,942,9 12,8
Gr 1 = erste Stichprobengruppe Messbeginn im Frühjahr 2014, Gr 2: zweite Stichprobengruppe Messbeginn im Frühjahr 2015, MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung. Keine der dargestellten Variablen unterschieden sich in den ­Gruppen signifikant voneinander.
Tabelle 2: Verordnete psychiatrische Medikamente.
WirkstoffgruppenGr1Gr2
«First generation» Antipsychotika 0 1
«Second generation» Antipsychotika 2828
Niedrigpotente Antipsychotika 5 7
Depot-Antipsychotika 0 0
Benzodiazepine 5 6
Antidepressiva 6 7
Mood stabilizer 8 9
Gr1 = erste Stichprobengruppe Frühjahr 2014, Gr2: zweite Stichprobengruppe Frühjahr 2015, je n = 30

Auswertung der spezifischen Fragebögen

Wie bereits beschrieben, war der für diese Unter­suchung erstellte Fragebogen in mehrere Bereiche ­ge­gliedert, die jeweils gesondert ausgewertet wurden. Er enthielt:
– fünf Fragen zur spezifischen Zufriedenheit mit der Behandlung / Fokus «shared decision making»;
– drei Fragen zur Therapiezielplanung;
– acht Fragen zur Psychoedukation;
– zwei Fragen zum Krisenplan;
– eine Frage zur allgemeinen Zufriedenheit mit der Behandlung.
Die Zielvariable der Untersuchung, die «spezifische ­Behandlungszufriedenheit mit dem Fokus shared decision making» (Mittelwert der Summe A1-A5 (s. Abb. 1), wurde von den Patienten der Gr2 signifikant besser bewertet als von jenen aus Gr1 (s. Tab. 3). Einzeln betrachtet, wiesen die zum Summenwert beitragenden, hier nur explorativ getesteten einzelnen Fragen des Fragebogens (A1-A5) und die «allgemeine Behandlungszufriedenheit» keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen Gr1 und 
Gr2 auf.
In der zweiten Gruppe gaben die Patienten etwas öfter an, dass mit ihnen eine Therapiezielplanung besprochen worden sei, auch hatten etwas mehr Patienten der zweiten Gruppe an der Psychoedukation teilgenommen, Material zur Psychoedukation angenommen und einen Krisenplan angelegt. Die Materialien und Methoden zu beiden vorgenannten Verfahren wurden allen Patienten angeboten.
Die einzelnen Ergebnisse sind der Tabelle 3 zu entnehmen.
Tabelle 3: Auswertung des Fragebogens.
BezeichnungGr1 (MW)Gr1 (SD)Gr2 (MW)Gr2 (SD)Signifikanz
Allgemeine Behandlungszufriedenheit / Shared ­Decision ­Making20,902,9422,332,51P =0,04*
Therapiezielplanung ja/nein20/10 21/9  
Therapiezielplanung Bewertung8,251,598,291,55n.s.
Psychoedukation: Teilnahme: ja/nein25 / 5 27/3  
Psychoedukation: Bewertung des Angebots8,761,178,441,31n.s.
Psychoedukation: Wertschätzung des Angebots4,231,574,590,63n.s.
Psychoedukation: Materialien erhalten ja/nein15/15 18/12  
Psychoedukation: Bewertung Materialien7,871,5068,821,31n.s.
Psychoedukation: Fortsetzung nach Entlassung ja/nein 20/10 15/14**  
Krisenplan erhalten ja/nein12/18 16/14  
Krisenplan hilfreich3,820,884,380,89n.s.
Bewertung Behandlung allgemein4,370,814,170,95n.s.
Gr1 = erste Stichprobengruppe Frühjahr 2014, Gr2: zweite Stichprobengruppe Frühjahr 2015, MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung, n.s = nicht signifikant, *Effektstärke: Cohen’s d = 0,52, ** einmal keine Antwort

Diskussion

In unserer Untersuchung fanden wir eine statistisch ­signifikante Zunahme der spezifischen Behandlungszufriedenheit mit dem Fokus «shared decision making» (Zufriedenheit mit Aufklärung über die und ­Einbezug in die Therapie: s. Items 1–5, Abb. 1). Hingegen führten die Fragen nach den spezifischen Materialien und Methoden des Kompass-Systems sowie die – hier nur explorativ getestete – all­gemein gehaltene Aussage «Ich war mit meiner ­Behandlung sehr zufrieden» nicht zu einer signifikanten Unterscheidung zwischen beiden Gruppen. Bei einer teilweisen Überlappung der Konzepte dürften in das komplexe Konstrukt der «allgemeinen Behandlungszufriedenheit» auch andere Aspekte von Setting und Behandlung eingegangen sein, die in unserer ­Studie nicht erfasst und untersucht wurden.
Komplexe Therapieansätze und der Einsatz von Psychotherapiemethoden und Psychoedukation in der ­Behandlung von Patienten mit Psychosen werden heute von den entsprechenden Leitlinien empfohlen [10, 11].
Dabei ist die Wirksamkeit von verhaltenstherapeu­tischen Psychotherapieansätzen ebenso belegt wie der Einsatz von systemischen Interventionen und Psychoedukation oder sozialem Kompetenztraining [12]. Diese Elemente sind als Bausteine im Kompass-Modulsystem integriert.
Auch für Prodromalstadien psychotischer Erkrankung, wie sie in psychiatrischen Versorgungskliniken nicht selten detektiert werden, ist ein Therapieansatz, der einen multimodalen psychosozialen Ansatz verfolgt, zum frühen Symptommanagement geeignet [13].
Insbesondere scheinen multimodale Therapieansätze dann wirksam zu sein, wenn die therapeutische Beziehung durch die Intervention beleuchtet und verbessert wird und wenn die Therapieansätze geeignet sind, das Krankheitsverständnis des Patienten und seine ­Erwartungen zu hinterfragen [14].
Mit ganz ähnlichen Ergebnissen werden die Interven­tionen auch aus der Sicht der betreuenden Personen beurteilt [15], insbesondere wenn die Interventionen eine Verbindlichkeit, wie etwa schriftliche Therapievereinbarungen oder konkrete Instruktionen – unter Berücksichtigung der krankheitsimmanenten kogni­tiven ­Defizite – aufweisen [16–18].
In einer kürzlich publizierten Studie untersuchten Blindzellner et al. [4] an 216 Patienten einer grossen Versorgungsklinik deren Zufriedenheit mit der Aufklärung in der Klinik, der individuellen Zufriedenheit mit der bzw. dem Grad der Zustimmung zur Verordnung der Therapie und mit dem objektivem Wissen der Betroffenen über ihre Psychopharmaka-Medikation. Dabei fanden sie weder einen Zusammenhang zwischen dem Medikationswissen und der einstellungsbezo­genen Adhärenz noch zwischen Medikationswissen und Zufriedenheit mit der Therapie. Jedoch ergab sich ein starker Zusammenhang zwischen dem Grad der einstellungsbezogenen Adhärenz und der Zufriedenheit mit der Information, wobei hier eben nicht das ­tatsächliche Wissen, sondern das subjektive Gefühl des Patienten, gut aufgeklärt worden zu sein, die ­Zufriedenheit mit der verordneten Therapie bedingte.
Auch das im Kompass-Programm beinhaltete meta­kognitive Training könnte einen eigenen positiven Einfluss auf das Gefühl des Sich-einbezogen-Fühlens der Patienten bewirken; es könnte darüber hinaus ­einen positiven Einfluss auf die Einsichtsfähigkeit ­haben [19–21].
Selbstverständlich hat unsere Untersuchung angesichts ihres Designs und der Stichprobengrösse erhebliche Grenzen in ihrer Verallgemeinerbarkeit. Die Datenerhebung erfolgte lediglich als therapiebegleitende Befragung ohne Kontrollgruppen. Auch sind wir nicht in der Lage zu differenzieren, ob eher die Methoden und Materialien an sich die ­dargestellte Zunahme der spezifischen Behandlungszufriedenheit bedingten, ob das Etablieren der Materialien die Frequenz des Annehmens von therapeutischen Angeboten durch die Patienten tatsächlich erhöhte (in der zweiten Gruppe nahmen etwas mehr Patienten an der Psychoedukation teil) oder ob die Schulung durch die Mitarbeiter bei der Einführung der Methoden und Materialien eines solchen modu­laren Systems diesen Effekt erzielte oder ob etwas gänzlich anderes einen Einfluss darauf hatte. Zudem steht hier «Kompass» sicherlich nur als ein möglicher Vertreter für ein solches System. Auch zwei Jahre nach dem Etablieren wird ein grösserer Teil der Materialien und Methoden des Kompass-Modulsystems von den Mitarbeitern weiterhin gerne eingesetzt.
Die Autoren danken Frau Dr. Sabine Saluschke und Herrn Dr. Arne Lehmann für ihre tatkräftige Mitarbeit im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit.
Im Rahmen eines formalen Projektvertrages stellte die Firma Janssen der Klinik die Schulungen und die Kompass-Materialien zur Verfügung. Finanzielle Mittel wurden weder an die Klinik noch an die beteiligten Personen gezahlt.
Felix Hohl-Radke, MD
Klinik für Psychiatrie, ­Psychosomatik und ­Psychotherapie
Asklepios Fachklinikum Brandenburg
Anton-Saefkow-Allee 2
D-14772 Brandenburg an der Havel
f.hohl[at]asklepios.com
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