"Euthanasie"-Opfer aus der Schweiz in der "Aktion T4"
Schicksale von ausgewiesenen Deutschen in den Heilanstalten Weissenau und Reichenau

"Euthanasie"-Opfer aus der Schweiz in der "Aktion T4"

Issues
Issue
2018/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/sanp.2018.00574
Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother. 2018;169(03):82-88

Affiliations
ZfP Südwürttemberg, Ravensburg, Deutschland

Published on 28.03.2018

Einleitung

Von den ca. 70 000 Opfern der «Aktion-T4» sind ca. 30 000 Krankenakten im Bundes­archiv in Berlin unter dem Bestand R 179 erhalten. Die seitens der «T4»-Zentrale übliche Vorgehensweise bei der Handhabung des Transportes der Krankenakten der «T4»-Opfer war so organisiert [1, 2], dass bei der Abholung der Patientinnen und Patienten aus den Anstalten die Akten den Transporten mitgegeben wurden. Nach der Ermordung der Opfer wurden die Akten an die «T4»-Zentrale in ­Berlin weitergeleitet, die dann behördliche Briefe und Briefe von Angehörigen z.T. beantwortet hat. Die «T4»-Zentrale wurde 1943 in die verbliebene Gasmordanstalt Hartheim bei Linz verlegt, wo Ende 1944 ein grösserer Teil der Akten vernichtet bzw. «gesäubert» wurde. Kurz vor Kriegsende landeten die verbliebenen Akten dann in der Heil- und Pflegeanstalt Pfafferode in Thüringen und sie wurden dann 1960 vom Ministerium für Staatssicherheit (DDR) übernommen. In der BRD hielt man die Akten bis zur «Wende» für verschollen. Die Krankenakten wurden erst in den frühen 1990er-Jahren im Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit gefunden und öffentlich zugänglich gemacht. Teile dieser Akten wurden inzwischen in einem DFG-Forschungsprojekt unter überregionalen Fragestellungen aufgearbeitet – die wissenschaftlichen Veröf­fent­lichungen hierzu und die verbliebenen Originalakten sind Grundlage und Ausgangspunkt für die weitere regionale Forschung zu den Opferschicksalen [3–5].

Zusammenfassung

In der Heilanstalten Weissenau und Reichenau ­wurden in den Jahren 1940 und 1941 691 bzw. 508 Patientinnen und Patienten Opfer der «Aktion-T4», sie wurden in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet. Unter diesen Opfern waren 19 bzw. 17 aus der Schweiz, d.h. fast alle wurden in der Schweiz ge­boren, lebten dort, hatten jedoch keine Schweizer Staatsbürgerschaft. 20 Krankenakten dieser Opfer sind im Bundesarchiv in Berlin erhalten, acht Krankenakten konnten in Schweizer Staats­archiven recherchiert werden. Die Inhalte dieser Akten werden skizziert, sie enthalten schemenhafte Hinweise auf die Schicksale der Opfer.

Quellenlage und Methode

Bei der Aufarbeitung der Opferschicksale der «Euthanasie»-Aktion «T4» in den ehemaligen Heilanstalten Weissenau (Südwürttemberg) und Reichenau (Südbaden) anhand der Opferlisten der Gedenkstätte Grafeneck ist auf­gefallen, dass in diesen Listen bei einigen ­Opfern unter der Rubrik «Geburtsort und Wohnort» Gemeinden bzw. Kantone der Schweiz eingetragen sind. Es stellte sich die zu erforschende Frage, wann, weshalb und unter welchen Umständen diese Opfer aus der Schweiz nach Weissenau und Reichenau gelangten, von wo aus sie schliesslich 1940 nach Grafeneck deportiert und ermordet wurden. Um die Einzelschicksale dieser Opfer zu ergründen wurde in Quellenbeständen des Bundesarchivs in Berlin und in kantonalen Staatsarchiven recherchiert.
Die analysierten Krankenakten enthalten ­zumeist somatisch dominierte Aufnahmebefunde und jährliche Verlaufsbeschreibungen über das Verhalten der Untergebrachten. Insofern scheinen die Akten «entkernt» worden zu sein, denn Behördenschriftwechsel wie zum Beispiel Kostenfragen, Anfragen zum Erbgesundheitsgesetz, «T4»-Meldebögen und Anfragen bei Angehörigen liegen nicht vor, nur vereinzelt gibt es Hinweise in den Verlaufskommentaren, aus den Akten wurden alle ­persönlichen und verwaltungstechnischen Daten nachträglich entfernt [6]. Hinz-Wessels geht von einer «mutmasslichen ­Säuberung» aller Akten aus und zitiert eine in Hartheim angestellte Zeugin, die in einem Nachkriegsprozess aussagte: «Alles was die Euthanasie betraf wurde herausgenommen und zu einer Papiermühle gebracht. Nur die Krankengeschichten blieben in den Akten» [7].
Als Untersuchungsmethode war zunächst vorgesehen, die Aktenbefunde in Kategorien zu beschreiben, wie z.B. Schulbiographie, Status der Eltern, Verwandte, Krankheitsbeginn, Arbeitsbiographie, Kontakt zu Angehörigen bei Anstaltsunterbringung etc. Dies erwies sich als nicht durchführbar, da die meisten Akten hierzu kaum Aussagen machen. Wo dies vereinzelt doch geschieht, wurde dies in den Verlaufsbeschreibungen aufgenommen. Die hier im Einzelnen wiedergegebenen Aussagen in den Akten, in der Regel von Ärzten geschrieben, spiegeln deren Meinung und Wertung bezüglich des Verhaltens und der Symptome der Betroffenen wieder. Sicht­weisen der Patientinnen und Patienten selbst, der Pflegenden oder der Angehörigen kommen selten zur Dar­stellung. Die hier ­formulierten «Hospitalisierungs-Geschichten» ist der Versuch des ­Autors, aus den ­dürren Sätzen das Schicksal der Opfer nachzuzeichnen, so wie sie in den Akten, gefiltert durch die Verfasser, vorgefunden werden. Manche Akten umfassen nur ­wenige Seiten oder pro Jahr wurde nur das Wort «unverändert» eingetragen.
In den Schweizer kantonalen Staatsarchiven konnten die Krankenakten von acht «Schweizer» Opfern der Anstalten Weissenau und ­Reichenau recherchiert werden. Die meisten Schweizer Nachfolgeeinrichtungen der Heil- und Pflegeanstalten haben ihre historischen Krankenblattarchive an die Kantonsverwaltungen abgegeben. Auch diese Akten sind fast alle handschriftlich verfasst und ­decken nur einen kurzen biographischen ­Zeitraum ab, da die betroffenen Menschen meist innerhalb von wenigen Monaten «ausgeschafft» wurden. Sie waren zwar in der Schweiz kranken- und rentenversichert, hatten aber keine Schweizer Staatsbürgerschaft.
Unter den 691 Opfern der Heilanstalt Weissenau waren laut Opferliste der Gedenkstätte Grafeneck bei 19 unter Geburtsort oder Wohnort «Schweiz» angegeben, fast alle sind in der Schweiz geboren und haben bis zu ihrer Erkrankung in der Schweiz vor 1940 gearbeitet. Elf Krankenakten dieser Opfer sind im Bundesarchiv in Berlin erhalten1. Von vier ­dieser Opfer konnten zusätzlich in Schweizer Staatsarchiven Krankenakten eingesehen werden. Von drei weiteren Opfern, von denen im Bundesarchiv keine Akten existieren, konnten Schweizer Akten gefunden werden (Elisabeth Weigel, Constantine Alber und Max Walter).
Von den 508 «T4»-Opfern aus der Anstalt ­Reichenau hatten 17 Opfer ursprünglich in der Schweiz gelebt2. Auch diese Patientinnen und Patienten sind meist in den 1930er Jahren aus der Schweiz «ausgeschafft» worden. Von den 17 Reichenauer «T4»-Opfern aus der Schweiz befinden sich neun Krankenakten im Bundesarchiv Berlin3. Von drei Opfern konnten auch Krankenblattunterlagen in Schweizer Archiven recherchiert werden. Es ist ­wahrscheinlich, dass auch von anderen grenznahen Anstalten zur Schweiz (z.B. die ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen und ­Illenau) weitere Opfer aus der Schweiz ­gefunden werden können.
Es ist anzunehmen, dass die meist in den 1930er-Jahren aus der Schweiz überführten Patientinnen und Patienten nach ihrer Aufnahme in Weissenau und Reichenau als «Württemberger» und «Badener» angesehen wurden und bei der Selektion im Rahmen der Aktion-«T4» nach Arbeitsfähigkeit, Pflegebedürftigkeit, Unterbringungsdauer und Angehörigenkontakten keine gesonderte Berücksichtigung fanden. Die Anstalten Weissenau und Reichenau wurden in den frühen 1940er Jahren fast komplett aufgelöst (Schaffung von Lazaretten, Unterbringung von Rüstungs­arbeitern etc.), der grösste Teil der Unter­gebrachten fiel der Aktion-«T4» zum Opfer, die übrigen wurden in andere Anstalten verlegt [8].
Es wurden insgesamt 20 erhaltene Akten aus dem Bundesarchiv Berlin von Opfern aus der Schweiz aus den Anstalten Weissenau und Reichenau dokumentiert und für eine kollektivbiographische Betrachtung verwendet. Da hier nicht alle Einzelschicksale dargestellt werden können, werden beispielhaft diejenigen Opferschicksale dokumentiert, bei denen sowohl im Bundesarchiv als auch in Schweizer Staatsarchiven Krankenakten gefunden wurden – dies erlaubt eine genauere Schicksalsbeschreibung. Zudem werden die vier Opfer beschrieben, von denen nur in Schweizer Archiven Akten existieren, aber keine Akten im Bundesarchiv.
Für die Verschriftung der Aktenbefunde ­wurden folgende Grundsätze beachtet: Die heute despektierlich wirkenden Verhaltensbeschreibungen in den vorgefundenen Akten wurden nicht übernommen, sondern durch eine heute gebräuchliche Diktion ersetzen. Welche damalige «Emotion» bei diesen Beschreibungen seitens der Schreibenden vorherrschte ist im Nachhinein nicht beurteilbar. Nicht in den Quellen gefundene Wertungen wurden vermieden, und es wurde versucht, eine authentische Beschreibung der Schicksale zu dokumentieren, soweit die Akteninhalte dies zuliessen.

Opferschicksale

Ernst Bühler

Akte Staatsarchiv Basel [9]: Ernst Bühlerwurde in der Schweiz geboren (16.6.1892), sein Wohnort war Basel, wo er auch zur Schule ging. Nach den Beschreibungen in der Krankenakte der Anstalt Friedmatt/Basel hatte er aufgrund von Komplikationen während der ­Geburt («Sturzgeburt») eine leichte geistige Behinderung, er konnte jedoch französisch sprechen und schreiben. Nach der Schule trat er eine Stelle als «Hausarbeiter» in Basel an, dort musste er 20 Stunden am Tag arbeiten, was ihn nach kurzer Zeit überforderte, er blieb zu Hause und «redete unverständliche Dinge». Die Eltern brachten ihn am 1.7.1907 in die kantonale Heil- und Pflgeanstalt Friedmatt.
Dort wurde eine «Erschöpfungspsychose» ­diagnostiziert. Er weinte viel, drängte nach Hause. Die Mutter holte ihn nach vier Wochen wieder ab. Nach drei Tagen brachten ihn die Eltern wieder: Es sei nicht gut gegangen, er spreche von erschiessen, bringe das ganze Haus durcheinander. Nun wird geschrieben, er habe einen ­Grössenwahn, wirke stuporös, sei oft laut und versuche, sich selbst zu verletzten. Er erhält Dauerbäder und ein «Schutzbett». Ab Oktober 1907 wird er «ruhig», im ­Dezember holt ihn wieder die Mutter.
14 Jahre später, am 11.1.1921, brachte eine Tante von Ernst Bühler ihn erneut zur Aufnahme in die Friedmatt. Seine Mutter war 1911, sein Vater 1920 verstorben. Die Tante berichtete, dass er nach seiner Entlassung 1907 mit dem Vater bis zu dessen Tod als «Erdarbeiter» im Rheinhafen gearbeitet hatte und seit die Mutter verstorben war, den Haushalt und das ­Kochen besorgte. Vier Wochen vor der jetzigen Aufnahme sei er im Hafen «verschüttet worden», sei ins Krankhaus gebracht worden («Rückencontusio»). Seitdem sei er appetitlos und bettlägerig, und sie bringe ihn, weil er keine Pflege habe. Diagnostiziert wurde eine «depressive Psychose», er wurde im weiteren Verlauf als «verworren und zurückgezogen» beschrieben.
Der Akte liegt ein Schreiben der «Ältesten Krankenkasse der Maurer, Steinhauer und Handlanger» vom 26.5.1921 bei mit der Anfrage an die Direktion, wie lange er noch in der Friedmatt bleibe. In einem weiteren Schreiben der «Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt» vom 22.10.1921 wurde der Heil- und Pflegeanstalt Friedmatt mitgeteilt, dass für Herrn Bühler «aus vermögensrechtlichen Interessen» ein Amtsvormund bestellt wurde. In diesem Schreiben wird er als «von Stammheim, Oberamt Calw, Württemberg» kommend bezeichnet. In der Krankenakte wurde am 10.11.1921 notiert: «Nach Deutschland ­verbracht». Der letzte Eintrag stammt vom 23.12.1940: «Angaben der Schwester: sei in ­Ravensburger Irrenanstalt, ruhig, depressiv». Sechs Monate zuvor fand Ernst Bühler in ­Grafeneck einen gewaltsamen Tod.
Der Akte von Ernst Bühler liegen drei weitere Schriftstücke aus dem Jahre 1943 bei, die seine Schwester, «Fräulein Marie Bühler» betreffen. Sie hatte im Dezember 1940 bei der «Bür­gerratskanzlei Basel» einen Antrag auf die Schweizer Staatsbürgerschaft («Bürgerrechtsgesuch») gestellt, der abgelehnt wurde. Am 11. Oktober 1943 schrieb nun dieselbe Kanzlei an den damaligen ärztlichen Direktor der Friedmatt, Prof. Staehelin, und bat um gutachterliche Äusserung zu einem erneuten ­Antrag von Frau Bühler, denn er habe 1940 «in Berücksichtigung der schweren erblichen Belastung Abweisung empfohlen». Die Bürgerrechtskanzlei selbst halte zwar das erneute Gesuch «für aussichtslos», wolle jedoch eine erneute Stellungnahme zu den «erhobenen ärztlichen Bedenken». Professor Staehelin fragte daraufhin offensichtlich bei dem Arbeitgeber von Marie Bühler, die Firma J.R. Geigy A.G., nach Besonderheiten in ihrem Verhalten nach (dieses Anschreiben liegt nicht bei), denn die Firma antwortete ihm, dass sie «keine der von Ihnen erwähnten Anomalien zeigt». Auch die «vertraulich zu Rate gezogenen direkten Vorgesetzten» hätten dies bestätigt. Ebenso ein in unklarem Verhältnis zu Frau Bühler stehender «Fritz Gloor aus Basel 6» wurde von Staehelin bzgl. des Einbürgerungsgesuchs angefragt. Er schreibt an den Direktor der Friedmatt, dass er sie seit ihrer Kindheit kenne und sie sich «in see­lischem und moralischen Gleichgewicht» befinde. Wie das Verfahren beschieden wurde, geht aus der Akte nicht hervor.
Akte Bundesarchiv [10]: Ernst Bühler wurde am 18.11.1921 in die Heilanstalt Weissenau ­aufgenommen. In der Akte wurde einleitend vermerkt: «Am 10.11.1921 ist Bühler aus einer Schweizer Irrenanstalt in das Karl-Olga-Krankenhaus Friedrichshafen überwiesen worden». Kommunikation mit ihm war nicht möglich, «er spricht und singt vor sich hin». Nach Angaben eines «Onkels» sei die Schwester durch Suizid verstorben, «ein Bruder ist seit Weihnachten 1920 vermisst». In den ersten Tagen nach der Aufnahme wurde er zugänglicher und machte Angaben zu seiner Vorgeschichte. Der Arzt schreibt: «Er sei in ­Basel auf die Volksschule gegangen und ein guter Schüler gewesen. Nach der Schule habe er das Schneiderhandwerk erlernt. Er habe da und dort in der Schweiz, zuletzt in Basel ­gearbeitet, als Schreiner und Tagelöhner. Seit 1½ Jahren sie er in der Friedmatt bei Basel ­gewesen. Er habe die Nerven überstudiert ­gehabt.(...) Er bekomme manchmal einen Staukrampf in den Kopf, er müsse deshalb ­öfter eine Bewegung machen, damit der Staukrampf nicht komme». Ernst Bühler blieb bis 1940 ununterbrochen in der Heilanstalt Weissenau. In den ersten Jahren wurde stets dasselbe beschrieben, «phantasiert vor sich hin, kein Verkehr mit seiner Umgebung, tagsüber Dauerbad, abends Neurotika». Ab Frühjahr 1926 arbeitete er «in der Wachabteilung fleissig mit», blieb aber weiter ganz für sich, «verkehrt mit niemand» – «Bettbehandlung» und «Dauerbad» blieben bis Ende der 1930er Jahre häufige Einträge in der Krankenakte. Der letzte Eintrag am 20.2.1940 lautet: «Wirkt regelmässig beim Reinigunsdienst mit, harmlos». Ernst Bühler wurdeam 10.6.1940 in Grafeneck vergast und verbrannt.
Die Besonderheit der Akte von Ernst Bühler besteht darin, dass ihr umfangreiche behördliche Schriftwechsel aus der Schweiz und ­seitens deutscher Ämter beiliegen, die in den übrigen bislang untersuchten «T4»-Akten fehlen. Wie erwähnt wurden die den Krankenakten beiliegenden «Personalakten» ansonsten ­vernichtet. Es ist anzunehmen, dass es auch zu den anderen hier untersuchten Akten vergleichbare Schriftwechsel gab.
So schrieb die «Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt» an die «Ortsarmenbehörde Friedrichshafen/Bodensee» am 22.11.1921, dass sie «nach Art. 393 Abs. 2 des Schweiz.Ges.Buches» mit der Unterbringung von Ernst Bühler in ­einer deutschen «Staats-Irrenanstelt» einverstanden sei. Dort wird auch festgestellt, dass Ernst Bühler in Basel geboren, aber wüttembergischer Staatsangehöriger ist. Dasselbe Einverständnis zu seiner Unterbringung attestierte am 4.12.1921 sein Bruder, Karl Bühler, beglaubigt von einem Dr. Gutekunst. Eine weitere Zustimmungserklärung liegt von seinem Bruder vom 27.1.1922 bei, beglaubigt durch ­einen Stempel «Polizeipräsident Basel». Und dasselbe nochmals mit Datum 28.2.1922, hier beglaubigt von dem «Polizeimann Stäbli». Zu diesem gibt es ein Begleitschreiben des «Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt» an die Ortsarmenbehörde Friedrichshafen, in dem mitgeteilt wird, dass der Geburtsschein beiliege (nicht in den Akten) und Vater und Mutter von Erst Bühler verstorben seien.
Bereits am 22.11.1921 schrieb die Verwaltung der Heilanstalt Weissenau an die Ortsarmenbehörde Friedrichshafen und bat um Mitteilung, wer die Überführung aus der Schweiz beantragt habe und diese antwortete: «Bühler wurde auf Antrag des Polizeidepartements Basel ausgewiesen und hierher übernommen. Er ist zuständig nach Stammheim, Oberamts (sic!) Calw, jedoch im Reichsausland geboren». Offensichtlich waren die Eltern von Ernst Bühler Deutsche (Württemberger), die nach Basel ausgewandert waren.
Im Dezember 1921 und Januar 1922 wurde dann in vielerlei Schriftsätzen zwischen der Verwaltung in Weissenau, dem Oberamt ­Tettnang, der Landarmenbehörde in Ulm und dem Ortsarmenverband Freidrichshafen ­darüber verhandelt, wer für Ernst Bühler die «Staatspflege» bezahlt. Diese übernahm schliesslich die Ortsarmenbehörde Friedrichshafen.
Ein Nachspiel bezüglich der Unterbingungskosten gab es nochmals 1931. Das Erbschaftsamt Basel attestiert am 28.9.1931 die «Verschollenerklärung durch den Vorsteher des Erbschaftsamts Basel, Stückelberg» des Bruders von Ernst Bühler, Albert Bühler, am 30.12.1920 und damit dessen Testament, in dem er seine Schwester am 26.12.1920 beerbte: «Ich bescheinige hiermit, dass ich mein ­Sparheft der Basler Kantonalbank, mit dem Sparkässlein, meinem Schwesterlein Marieli vermache. Sig. Albert Bühler». Der Hintergrund dafür, dass dieser Vorgang in der Akte zu finden ist, könnte sein, dass entweder die Anstalt oder die Ortsarmenbehörde nach Familienbesitz in der Schweiz nachfragte, um die Pflegekosten zu decken.

Emil Lämmle

Akte Staatsarchiv St. Gallen [11]: Emil Lämmle wurde in Tübach, Kanton St. Gallen, am 13.8.1897 geboren. Sein Vater, Karl Lämmle, war im Alter von 19 Jahren in die Schweiz ­ausgewandert und hatte dort die in Tübach ­lebende Schweizerin Adelina, geborene Hungerbühler, geheiratet. Er kam ursprünglich aus Biberach in Württemberg und verstarb 1924. Emil Lämmle wurde am 10.11.1930 in die Anstalt St. Pirminsberg durch den Gemeinderat Tübach eingewiesen.
Biographisch ist den Akten aus seinen eigenen und den Beschreibungen seiner Schwester zu entnehmen, dass Emil Lämmle in der Schweiz neun Jahre «mit Erfolg» zur Schule ging. Im Jahr 1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen – dies offensichtlich dann in Deutschland, weil er keine Schweizer Staatsangehörigkeit erworben hatte. Ein Bruder von ihm fiel Im Krieg. Er selbst war 16 Monate ­ununterbrochen an der Front. Im Jahr 1919 kam er wieder nach Hause nach Tübach und konnte in der Firma Raduner in Horn in der Färberei regelmässig arbeiten.
Nach Bericht der Schwester sei er jedoch «nicht mehr derselbe gewesen. (...) Wenn er vom Krieg berichtete bekam er plötzlich Weinkrämpfe und musste sich in sein Zimmer zurückziehen». Er zog sich von der Familie zurück, hatte keine Freunde, war schnell verärgert und erregbar, so die Schwester. Auf Veranlassung des Bezirksamts Rorschach erstellte das «Physikat Rorschach» am 6.10.1930 ein ärztliches Gutachten. Anlass war die Klage der Schwester, dass die Familie sich vor seinen Wutausbrüchen fürchte.
Der Gutachter befragte auch den Meister seines Betriebs, wie er sich dort verhalte. Dieser berichtete, er sei ein guter Arbeiter. Er könne schon wütend werden, aber er unterdrücke das und habe sich im Griff. Seine Arbeit besorge er «tadellos, erscheine auch sehr früh und pünktlich». Der Bezirksarzt schrieb in seinem achtseitigen Gutachten, dass seine «Kriegserlebnisse sein Leiden zum Ausbruch gebracht» hätten und dass er daher leicht ­reizbar sei und hin und wieder religiöse Phantasien äussere. Er schlussfolgerte, dass «der ­Aufenthalt in der ­eigenen Familie nicht der richtige Ort für den Mann zu sein scheint», er solle «in einer fremden Familie Zimmer und Verkostung ­finden», da er ein «leicht reizbares Nerven­system» habe. Der Bezirksarzt schloss seine Einschätzung mit der Bemerkung: «Sollte trotzdem das leicht reizbare Nervensystem den Lämmle zu explosiven Stimmungsäusserungen führen, so müsste der ­Explorand für eine gewisse Zeit zur Beobachtung in eine Nervenheilanstalt verbracht ­werden». Letzeres beschloss dann auch der Gemeinderat Tübach, weil er gegenüber dem Gemeindeammann Drohungen ausgestossen habe, und er wurde von zwei Polizeibeamten nach St. Pirminsberg gebracht.
Die Aufzeichnungen in der Krankenakte der Anstalt St. Pirminsberg [12] erstrecken sich über nur eine Seite. Er war dort bis zu seiner Ausschaffung nach Württemberg ca. acht ­Monate untergebracht. Ein Aufnahmebefund wurde nicht erstellt. Am 11.9.1930 wurde ­eingetragen: «Schimpft über Angehörige, werde sich nach der Entlassung eine Pension suchen». Und er beklagte sich, dass er in der ­Färberei in einem kleinen Raum arbeite und «immer den Dampf der Farblösungen ein­atmen müsse». Am 3.12.1930 heisst es im Verlaufsbericht, er sei «ruhig, aber verschlossen, zeitweise empfindlich, gereizt, ­beschäftigt sich mit Büchern». Am 20.12. ­besuchte ihn seine Mutter. Er sei ihr gegenüber misstrauisch gewesen und habe ihr Vorwürfe gemacht. Am 24.1.1931 wurde kurz berichtet, dass er mit einem anderen Patienten Streit hatte. Daraufhin gabt es sechs Monate keinen Eintrag mehr und handschriftlich wurde nach diesem letzten Eintrag im Juli ­ geschrieben: «(...) in eine deutsche Anstalt transpediert».
Den Akten liegen umfangreiche Schriftwechsel zwischen der Krankenkasse der Firma ­Raduner, dem Gemeinderat und der Anstalt St. Pirminsberg bei. Die betriebliche Krankenkasse gab am 5.12.1930 eine volle Kostengarantie für Emil Lämmle für seine Anstalts­behandlung für 180 Tage und danach 90 Tage für die Hälfte der Kosten und schrieb am Schluss: «Bis heute hat er in unserem Geschäft immer gearbeitet, jedoch hat man ihm angesehen, dass der Mensch immer studiert, es wäre zu bedauern, wenn dieser Mann in seine Heimat abgeschoben werden müsste». Ungefähr nach Ablauf dieser Kostenzusage wurde er ausser Landes gebracht. Seitens der «Direction der Heilanstalt Anstalt St. Pirminsberg» wurde davor mit Datum vom 27.4.1931 eine ärztliche Beurteilung (ohne Unterschrift, möglicherweise ein Entwurf) an den Gemeinderat Tübach abgegeben. Hierin wurde ihm «ein sogenannter religiöser Wahnsinn» attestiert, er glaube «die Stimme Gottes zu hören, (...) obwohl er sich zeitweise beherrschen und geberden (sic!) kann als ob ihm nichts fehle». Gelegentlich habe er «affektive Erregungen, die aber gewöhnlich rasch vorüber gingen» und «nicht in gefährlicher Weise geschehen». Schliesslich sei es nicht auszuschliessen «dass sich die Krankheit in noch schwierigerer Form äussern könne». Die Beurteilung schliesst mit der Bemerkung: «Wir können es unter solchen Umständen sehr wohl ver­stehen, dass die beförderliche (sic!) Transferierung des Patienten in eine heimatliche Anstalt ins Auge gefasst wird. Vermutlich werden die Verpflegungskosten in der Heimat billiger zu stehen kommen. Ob in diesem Fall die Krankenkasse ihrer Zahlungspflicht vorzeitig entbunden würde, können wir nicht ­beurteilen». Daraufhin wurde offensichtlich das «Departement des Inneren des Kantons St. Gallen» aktiv, denn dieses schrieb am 15.7.1931 an den Gemeinderat Tübach im «Heimschaffungsfall Lämmle»: «Seitens der zuständigen württembergischen Oberbehörde ist die Übernahme eingegangen; gestützt hierauf haben wir die Überführung des Lämmle nach Friedrichshafen auf den 30.7.1931 angesetzt. Das «kantonale Polizeikommando» wurde mit der Überführung ­beauftragt.
Akte Bundesarchiv [13]: Emil Lämmle «von Zürich» wurde am 1.8.1931 in die Heilanstalt ­Weissenau aufgenommen. Er war «Dienstknecht» und war am 13.8.1897 in Zürich geboren worden. Der Vater wird als verstorben ­eingetragen. Als letzter Wohnort wird in der Akte Tubach, Kanton St.Gallen, angegeben. Zuvor war er seit 10.11.1930 in der Heilanstalt St.Pirminsberg in der Schweiz untergebracht. Im Aufnahmeprotokoll heisst es, «Heute aus der Schweiz über Karl-Olga-Krankenhaus (Friedrichshafen, der Verf.) hierher gebracht». Hintergründe für diesen Transport von Emil Lämmle aus der Schweiz nach Deutschland sind der Akte nicht zu entnehmen. In der ­Opferliste der Gedenkstätte Grafeneck ist bei Herrn Lämmle «Zürich» sowohl als Geburtsort als auch als letzter Wohnort genannt.
Bei seiner Ankunft in Weissenau wurde er als «ruhig, geordnet, besonnen» beschrieben und er äussere religiöse Wahnvorstellungen über Gott und Maria. Auf der Station führe er Selbstgespräche, sei ohne Kontak zu Anderen und «besorgt sich selbst». Ab Oktober wurde er für kurze Zeit als «Hausarbeiter» beschäftig, dann hatte er wieder vermehrt «Sinnestäuschungen» worauhin «Bettbehandlung» erfolgte. Bis 1936 änderte sich sein Verhalten nicht: «zurückgezogen, führt Selbstgespräche, oft im Garten, manchmal hypochon­drische Klagen. Höflich, freundlich, besorgt sich selbst». Ab 1936 war er zu Arbeitsein­sätzen bereit und wurde als «nützlicher Arbeiter im Anstaltsbereich» bezeichnet. In den Jahren 1939 und 1940 enthält die Akte kaum mehr Aufzeichnungen («unverändert»). Emil Lämmle wird am 27.5.1940 in Grafeneck ermordet.

Hermann Sudler

Akte Staatsarchiv Thurgau [14]: Hermann Sudlerwurde am 20.1. oder 20.10.1892 geboren. Er war von 13.8.1919 bis 3.10.1919 Patient der Heil- und Pflegeanstalt Münsterlingen im Kanton Thurgau. Vor seiner Aufnahme hatte er in Kreuzlingen gewohnt und war als Gärtner in der Binswanger’schen Klinik Bellevue angestellt. Seine Eltern lebten in Bürglen, der Nachbargemeinde von Weinfelden. Die «Unterstützungsgemeinde» von Max Sudler war Emmingen (Amt Engen) in Baden. Dem Schriftwechsel in der Akte ist zu entnehmen, dass sich bereits am 15. August 1919 der Hilfsbund für Deutsche Kriegerfürsorge in der Schweiz, Ortsgruppe Kreuzlingen-Romanshorn, der für die Klinikkosten aufkam, bemühte, Max Sudler in die «heimatliche Heil- und Pflegeanstalt Reichenau» zu überführen. In der Schweizer Akte heisst es am 3.10.1919: «Nach Reichenau transferiert». In dem beiliegenden ärztlichen Zeugnis der Klinik Bellevue wird erwähnt, dass er schon früher einen Aufenthalt in der Anstalt Reichenau hatte. Offensichtlich wurde er wieder entlassen, denn sein letzter Aufenthalt dort datierte von 1919.
Der Akte liegt noch ein Schreiben des Direktors der «Bad. Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen» vom 6.10.1944 bei, in dem dieser auf eine Anfrage der Direktion der Anstalt Münsterlingen antwortete (die Anfrage aus Münsterlingen liegt nicht bei):
«Der Patient Hermann Sudler war zuletzt vom 24.3.1925 bis 14.8.1940 in der Anstalt bei Konstanz untergebracht. Am 14.8.1940 wurde er nach unseren Feststellungen in eine uns nicht bekannte Reichsanstalt verlegt. Die Kranken­geschichte ist s. Zt. beim Abtransport mitge­geben worden, so dass hier leider keinerlei Unterlagen vorliegen, um Ihre Anfrage beantworten zu ­können».
Weshalb die Anstalt Münsterlingen motiviert war, nach Hermann Sudler 1944 nachzufragen bleibt offen. Möglicherweise fragten die Eltern oder Geschwister an. Unklar bleibt auch, weshalb die Anstalt Münsterlingen in Emmendingen nachfragte und nicht in der Anstalt Reichenau.
Akte Bundesarchiv [15]: Hermann Sudler wurde am 24.3.1925 «auf Ersuchen der Polizei Konstanz von der Grenzstelle Kreuzlinger Tor abgeholt, wohin er von 2 Personen der Anstalt Münsterlingen verbracht worden war» und in die «Grossh.Bad.Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz» (Reichenau) aufgenommen. Auf der Akte ist die Adresse seiner Mutter in Bürglen, Kanton Thurgau, vermerkt. Ein Grossteil der kurzen Akte ist nicht lesbar (Wasser­schäden). Einmal ist zu entnehmen dass er auf dem Feld arbeite und sich «mutistisch-abgesperrt» verhalte. Hermann Sudler wurde am 14.8.1940 in Grafeneck umgebracht.

Anna Franziska Bauer

Akte Staatsarchiv St. Gallen [16]:, Anna Franziska Bauer, geboren am 12.6.1884 in Rorschach, hatte mehrmonatige Aufenthalte in Schweizer psychiatrischen Anstalten, 1920 und 1930 in St. Pirminsberg und 1934 in Wil. Am 18.4.1934 wurde sie in die Anstalt Reichenau/Baden überführt.
Ihr Schicksal ist u.a. davon geprägt, dass sie in den Schweizer Anstalten in «Privatpflege» untergebracht war. (Sie und ihre drei Geschwister hatten von ihren verstobenen Eltern ein Haus in Rorschach am Bodensee ­geerbt.) Der Vater war Landwirt in Konstanz/Baden und war in die Schweiz ausgewandert, wo er als Maurer in Rorschach ­arbeitete.
Anna Bauer war nach den Schilderungen der Schwester bei ihrer ersten Aufnahme in St. Pirminsberg am 9.6.1920 ein ­«gesundes, intelligentes, sehr fröhliches & lebhaftes Kind, war aber von Jugend auf sehr empfindlich und leicht beleidigt». Ein Jahr vor der ­Aufnahme sei sie plötzlich sehr «menschenscheu» geworden, hab sich von allem zurückgezogen. Sie glaubte, alles sei «auf sie bezogen» und man habe «böse Absichten ihr gegenüber». Sie sei «ungeliebt, missachtet, verkannt». Sie ass kaum mehr, weil sie religiöse Opfer habe bringen wollen. Bis vor kurzem habe sie als Lorraine-Stickerin [17] ­gearbeitet. Während ihres sechsmonatigen Aufenthaltes musste sie ­immer wieder wegen Nahrungsverweigerung künstlich ernährt werden. Sie blieb «still und unzugänglich». Am 23.12.1920 stand in der Akte von St. Pirminsberg als letzter Eintrag: «Heute von den Angehörigen nach Hause ­genommen, wegen finanz. Unmöglichkeit, weiter für die Verpflegungskosten aufzukommen».
Zehn Jahre später, am 30.1.1930, brachten die ­Geschwister Anna Bauer erneut nach St. Pirminsberg. Sie litt unter Wahnvorstellungen und verweigerte die Nahrungsaufnahme; wieder erfolgten Zwangsernährungen. Ab ­Anfang März 1930 ass sie wieder, arbeitete ­regelmässig in der Nähstube, ihre Stimmung besserte sich und sie wurde zugänglicher, so die Verlaufsbeschreibung in den Akten. Am 4.6.1930 wurde sie «als geheilt entlassen».
Am 2.3.1934 wurde sie in der Anstalt Wil, ebenfalls Kanton St. Gallen, aufgenommen. Wieder war sie verwirrt und abgemagert. In den ­Jahren zuvor hatte sie in verschiedenen Stellungen als «Glätterin» gearbeitet. Bei diesem Aufenthalt arbeitete sie von Anfang an in der «Glättestube». «Ihre Arbeit macht sie sehr gut und ist dabei sehr fleissig». Es wird geschrieben, sie sei «lieb, freundlich, ruhig, still, fügt sich». Der «Austritt erfolgte am 18.4.1934 in eine heimatliche Anstalt nach Deutschland». Die «Heimschaffung» wurde seitens des ­«Departement des Inneren des Kantons St. Gallen» am 9.4.1934 angeordnet. Die «badische Staatsangehörige» Anna Bauer wurde eine Woche später durch ein «kantonales ­Polizeikommando» dem «Bezirksamt in Konstanz» übergeben und am 18.4.1934 in die ­Heil- und Pflegeanstalt Reichenau aufgenommen.
Den verschiedenen Krankenakten liegt eine grosse Zahl von handschriftlichen Briefen der Schwestern von Anna Bauer an die jeweiligen Direktoren der Anstalten bei. In diesen wird jeweils die Zuneigung zur Schwester Anna («Annali») und der schwierige Umgang mit ihr geschildert, und es werden die Grenzen ihrer finanziellen Belastung durch die Anstaltsversorgung beschrieben. In dem geerbten Haus der Eltern in Rorschach, in welches Anna Bauer immer wieder zurückkehrte, lebten noch zwei Schwestern von ihr, welche sich mit Näharbeiten ihren Unterhalt verdienten, und ein Bruder, der in Folge einer Hirnhautentzündung als Kind geistig behindert war. Eine weitere Schwester, Franziska Bauer, war in Gstaad in einem Hotel als Gouvernante angestellt, sie trug die Hauptlast der Anstalts­kosten. Jahrelange Versuche der Geschwister, bei Hilfsvereinen, Krankenkassen und Ortsarmenverbänden die Anstaltskosten erstattet zu bekommen, scheiterten. Schliesslich schrieb der Direktor der Wiler Anstalt 1934 an die Schwestern: «Wie die Verhältnisse zur Zeit liegen kann keine Wohngemeinde für die ­Anstaltskosten aufkommen. Und so sind wir gezwungen für die Überführung in eine heimatliche Anstalt zu sorgen».
Akte Bundesarchiv [18]: Anna Franziska Bauer wurde nach der Akte im Bundesarchiv am 18.4.1934 in der «Ba. Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz a. B.» (Reichenau) aufgenommen. Sie sei aus der Schweiz ausgewiesen worden und komme nun in «Fürsorge­behandlung», wie es eingangs heisst. In der Schweiz sei sie «selbständige Stickerin zusammen mit den Schwestern» gewesen. «Nach dem Tod der ­Eltern blieben die Schwestern ­zusammen wohnen und sie besorgt den Haushalt weiter bis vor 4 Jahren».
Als Symptom gab sie an, Stimmen zu hören. Diagnostiziert wurde Schizophrenie und eine hochgradige Schwerhörigkeit. Schon am zweiten Tag nach ihrer Aufnahme arbeitete sie «fleissig im Bügelzimmer», sie war «freundlich, geordnet, tritt nicht hervor». Bis 1940 ­finden sich nur wenige Einträge, ab 1936 ­arbeitete sie «fleissig mit der Nähmaschine». Einzig der Eintrag am 16.5.1940 ist ­etwas ausführlicher: «Hat die Idee, dass das Personal sie hier festhalte, sie will wieder in die Schweiz heim, will nicht bei den Deutschen bleiben, sonst ist sie aber harmlos – im Äusseren geordnet, besorgt sich selbst in allen Stücken». Anna Bauer wurde am 14.8.1940 in Grafeneck vergast.

Elisabetha (Elise) Weigle

Akte Staatsarchiv St. Gallen [19]: ElisabethaWeigle wurde am 11.2.1864 geboren und lebte in Herisau (Kanton Appenzell). Eine Akte im Bundesarchiv findet sich nicht. Dem Archiv der Gedenkstätte Grafeneck ist lediglich zu entnehmen, dass Frau Weigle am 25.7.1923 in die Anstalt Weissenau aufgenommen wurde, ihr Wohnort in Herisau/Schweiz war und sie im Alter von 76 Jahren am 28.8.1940 in ­Grafeneck ermordet wurde.
Erhalten ist jedoch eine knappe Krankenakte in der psychiatrischen Anstalt Wil («Asyl Wil»), in die sie in der Zeit vom 6.2.1905 bis 20.3.1905 eigewiesen wurde. In der Akte ist eingangs vermerkt, dass sie «aus Ludwigsburg (Württemberg)» stammte. Ob sie dort oder in der Schweiz geboren wurde, ist unklar – möglicherweise war ein oder waren beide ­Elternteile bereits vor ihrer Geburt in die Schweiz ausgewandert. Der Akte ist weiter zu entnehmen, dass sie bis zu ihrer Aufnahme bei ihrem Bruder, «Dr. W. Weigle», lebte, er war von Beruf Arzt. Ihr Vater und ihre Mutter seien vor 1905 verstorben, sie hatte fünf ­Geschwister.
Ihre Schwägerin berichtete bei der Aufnahme, Elise sei in der Schule gut gewesen und habe sich schon immer «eigensinnig und unbeugsam» verhalten. Die Anstalt beschreibt als Symptome: «Religiöse Wahnideen, glaubt an Zauberei, Erotomanie». Der letzte Eintrag lautet: «29.3.1905 nach Württemberg in Irrenanstalt überführt». Sie war von 1905 bis 1907 in der Anstalt Weissenau und wurde dann von ihrem Bruder wieder in seinen Haushalt in die Schweiz geholt.
Der Schweizer Akte liegt ein Schriftwechsel zwischen ihrer Schwägerin und der Anstalt Wil bei. Diese schrieb am 7.4.1923 an den «Herrn Direktor», dass ihr Mann im Jahr 1920 verstorben sei und Elise Weigle weiter von ihr und einer weiteren Schwägerin gepflegt worden sei. Dies könnten sie jedoch nun nicht mehr leisten, sie seien inzwischen alt und hilfsbedürftig und bitten die Direktion um ein Zeugnis, dass Elise anstaltspflegebedürftig sei. In dem auch beiliegenden «Ärztlichen Zeugnis» des Direktors (ohne Unterschrift und Namen) vom 9.4.1923 wurde dies attestiert, und Frau Weigle wurde vier Monate später wiederum aus der Schweiz ausgeführt und in der Anstalt Weissenau aufgenommen.
Am 28.8.1940 wurde Elise Weigle in Grafeneck getötet.

Constantine Alber

Akte Staatsarchiv St. Gallen[20]: Constantine Alber wurde am 24.3.1887 geboren und ging im Appenzell in die Schule. Ob sie in der Schweiz geboren wurde, geht aus der vorliegenden Akte der Anstalt Wil nicht hervor. Als «Unterstützungswohnsitz» wird Ravensburg in Württemberg genannt. Dies könnte darauf hinweisen, dass entweder ihr Vater oder ihre Mutter ehemals von dort in die Schweiz eingewandert waren. Sie wurde im Alter von 37 Jahren am 22.9.1924 im «Asyl Wil» stationär aufgenommen. Ihr letzter Wohnsitz war in St. Gallen in der Langgasse 19. Im Aufnahmebefund wurde festgehalten, dass sie acht Jahre zur Schule ging und danach im Eisenwaren­geschäft des Vaters in St. Gallen arbeitete. ­Wenige Jahre vor ihrer Hospitalisierung habe sie als Hobby Graphologie studiert und in ­ihrer näheren Bekanntschaft Handschriften gedeutet. Dies auch bei einem mit ihr bekannten Pfarrer und nach der Deutung seiner Handschrift habe sie Gewissensbisse und Ängste entwickelt, dass ihr das nicht zustünde. Sie befürchtete den Weltuntergang und dass das «letzte Gericht» anstünde, so die Aufzeichnungen in der Krankenakte im Jahr 1924. Sie blieb drei Monate in der Anstalt Wil und wurde am 28.12.1924 wieder nach Hause entlassen: «Zustand hat sich gebessert, klagt weniger und ist seltener aufgeregt», so lautet der letzte Eintrag zu diesem Zeitpunkt. Danach folgt ein Eintrag im Jahre 1957: «Pat. wurde später in die Heil- und Pflegeanstalt Weissenau b. Ravensburg aufgenommen und dort 1942 vergast! – siehe auch Krankenblatt der Stiefschwester, Frau Maria Klug-Alber, geb. 8.10.1904, in Wil vom 5.–28.11.1957».
Den Opferlisten der Gedenkstätte Grafeneck ist zu entnehmen, dass Frau Alber zuletzt wohnhaft in St. Gallen war, am 30.5.1925 in der Anstalt Weissenau aufgenommen wurde und im Alter von 53 Jahren am 9.9.1940 in Grafen­eck getötet wurde.

Max Walter

Akte Staatsarchiv St. Gallen [21]:Max Walter wurde am 7.7.1900 in der Schweiz geboren. Sein letzter Wohnsitz war in St. Gallen in der Brühlgasse 29. In die Anstalt Wil wurde er am 12.12.1928 aufgenommen und dort unter «von Saulgau/Württemberg» geführt. Ein Elternteil scheint dorther gekommen zu sein.
In der Akte aus Wil wird biographisch berichtet, dass sein Vater «Holzhacker» gewesen sei und «der Sohn half ihm, sobald er in das verdienstfähige Alter kam». Der Vater starb zehn Wochen vor seiner Aufnahme. Dieser hatte den Sohn «doch noch im Zügel». «Nun aber kam er ins Trinken und am 13. November 1928 bedrohte er in betrunkenem Zustand seine Mutter derart, dass die Polizei gerufen werden musste». Dasselbe wiederholte sich am 12.12.1928, sodass «die sofortige Versorgung im Asyl in Wil notwendig wurde». Dort berichtete er, dass man bei der ­Arbeit im Wald «Moscht bekommt so viel man will», was man «bei der strengen ­Arbeit auch braucht». Diagnostiziert wurde Oligophrenie und Alkoholmissbrauch (in den Akten der Gedenkstätte Grafeneck wurde als Diagnose «(Propf) Hebephrenie» angegeben). Während seines Aufenthalts in der Anstalt Wil drängte er ständig nach Hause und versuchte öfter zu entweichen. Im Klinikalltag arbeitete er fleissig mit.
Die Mutter von Max Walter war ohne Einkommen, sah sich somit nicht in der Lage, ihren Sohn zu Hause wieder aufzunehmen und beantragte seine «dauernde Versorgung» durch die Gemeinde. Der diesbezügliche Beschluss des Stadtrats St. Gallen vom 2.7.1929 liegt der Akte bei. Die Überschrift dieses Beschlusses lautet «Heimschaffung aus armenrechtlichen Gründen» und die Überführung in «eine ­heimatliche Anstalt» wurde angeordnet. Am 2.8.1929 wurde diese vollzogen und er wurde im Krankhaus Friedrichshafen am Bodensee abgegeben. Nach den Akten in Grafeneck kam es am 17.8.1929 zur Aufnahme in der Anstalt Weissenau. Am 10.6.1940 wurde Max Walter mit 69 weiteren Patienten von den «Grauen Bussen» abgeholt und in Grafeneck vergast.

Reinhold Beller

Von Reinhold Beller konnte weder im Bundesarchiv noch in Schweizer Archiven eine ­Krankenakte gefunden werden. Er wurde am 24.7.1940 in Grafeneck ermordet. Im Staats­archiv des Kantons Zürich findet sich jedoch ein Protokoll des Regierungsrats aus dem Jahr 1934, Sitzung vom 31.Mai 1934 [22], in dem die «Ausweisung und Ausschaffung» von Reinhold Beller durch den Kanton Zürich beschlossen wurde. Der Beschluss lautet:
«Mit Schreiben vom 2. Mai 1934 beantragt die Direktion des Armenwesens des Kanton Zürich die Heimschaffung des ledigen Reinhold Beller, geboren am 17. Februar 1886, von Pfullendorf, Baden, wohnhaft Winterthur, Ackeretstr. 13, da der genannte zu Lasten der zürcherischen Staatskasse unterstützt werden muss. Bellerist seit 1919 in Winterthur wohnhaft und muss nun in letzter Zeit von den Armenbehörden oft unterstützt werden. Das Arbeitsamt kann dem Manne keine Arbeit mehr vermitteln, nachdem verschiedene Versuche gescheitert sind. Eine ärztliche Untersuchung im Jahre 1933 ergab, dass Beller an schwerer Psychopathie mit Halluzinationen des Körpergefühls leidet und deshalb anstaltspflegebedürftig sei. Beller ist mittellos und hat keinerlei hülfsfähige Angehörige. Die Übernahmeerklärung des badischen Bezirksamtes Pfullendorf liegt vor. Die Voraussetzungen zur Ausweisung des Beller im Sinne von ­Artikel 10, Absatz 1, lit. c, des Bundesgesetzes über Aufenhalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 sind erfüllt. Der Regierungsrat.»
Am 11.4.1934 hatte das Arbeitsamt Winterthur an den «Schweiz. Metallarbeiter-Verband», in Kopie an das Fürsorgeamt, geschrieben: «(...) da er melken und mähen kann, wurde er zu Landwirt Ganz in Buch am Jrchel (sic!) vermittelt. Heute meldet er sich wieder arbeitslos und gibt an die Stelle von sich aus verlassen zu haben, da er aus hygienischen Gründen nicht mehr habe bleiben können».
Das «Fürsorgeamt Winterthur, Armenpflege» hatte dann am 23.4.1934 den Antrag zur Ausweisung an den Kanton mit folgender Begründung gestellt: «Beller hat da und dort noch gearbeitet, nirgends lange und überall sich auffällig benommen. Wir können den Mann auf Dauer in diesem Zustand nicht hier behalten. Eine Internierung in einer hiesigen Anstalt käme für die heimatliche Behörde zu teuer und eine Beitragsleistung unsererseits ist ausgeschlossen».
Es ist anzunehmen, dass bei allen hier dar­gestellten Schicksalen der Opfer aus der Schweiz seitens des jeweiligen Kantons gleichlautende oder ähnliche Beschlüsse der Kantonsräte erfolgten.

Ergebnisse und Diskussion

In den Opfer-Listen der «Aktion-T4» der Anstalten Weissenau und Reichenau der Gedenkstätte Grafeneck wurde bei 36 Betroffenen aus der Schweiz unter Geburtsort oder Wohnort4 eine Gemeinde, eine Stadt oder ein Kanton in der Schweiz genannt. Die Analyse der hier recherchierten erhaltenen 20 Akten zeigt, dass diese Opfer aus der Schweiz keine schweizerische Staatsangehörigkeit hatten. Zwar sind fast alle Opfer in der Schweiz geboren, in die Schule gegangen und haben bis zu ihrer Hospitalisierung auch in der Schweiz ­gearbeitet. Wieviele von ihnen Schweizer oder deutsche Elternteile hatten konnte nicht recherchiert werden. Ein Opfer war im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern in die Schweiz emigriert und über ein Opfer ist in der Akte lediglich angegeben, dass sie bei Erkrankungsbeginn in Lausanne arbeitete. Fakt ist, dass alle «ausgeschafft» wurden, als sie erkrankten bzw. betreuungsbedürftig wurden. Fast immer waren sie zuvor für kurze Zeit in einer Schweizer Anstalt aufgenommen und von dieser mittels schweizerischer polizeilicher Hilfe ins Deutsche Reich überführt worden.
Veranlasst wurden die polizeilichen Ausweisungen durch die kantonalen Regierungsräte. Die Anträge bei den Regierungsräten kamen immer in dem Moment zustande, wenn die betroffenen Personen der Armenfürsorge ­einer Gemeinde oder Stadt zur Last fielen. Zum Teil stellten auch Arbeitsämter oder Arbeitslosenversicherungen diese Anträge an die Räte, wenn eine Arbeitsvermittlung häufiger scheiterte. Schliesslich beantragten auch psychiatrische Anstalten die Ausweisung, wenn entweder die Angehörigen oder die ­Gemeinden die Unterbringungskosten in den Anstalten nicht mehr bezahlen konnten oder wollten.
Der erste deutsche Zielort dieser polizeilichen Überführungen der Betroffenen war in den meisten Fällen das allgemeine Krankenhaus in Friedrichshafen oder in Konstanz. Das Krankenhaus beantragte nach dem Eintreffen der Kranken und Behinderten bei den damaligen Kreisbehörden deren Unterbringung in die Anstalt Weissenau oder Reichenau nach wenigen Tagen, und diese beauftragten einen Amtsarzt zur Begutachtung und um gegebenenfalls die Einweisung zu veranlassen, was auch jedes Mal geschah. Die Amtsärzte stellten in der Regel keine Diagnose als Ein­weisungsgrund, sondern stellten nur die «Anstaltsbedürftigkeit» fest und schilderten ein entsprechendes Verhalten («unruhig» etc.) um diese zu begründen.
Fast alle Opfer aus der Schweiz wurden in den 1930er-Jahren in das Deutsche Reich gebracht. Alle Opfer blieben ab ihrer Aufnahme bis zu ihrer Ermordung in der Anstalt Weissenau oder Reichenau dauerhospitalisiert. Auffallend gegenüber anderen kollektivbiographischen Erhebungen der Opfer der «Aktion-T4» [23] war in der vorliegenden Recherche das junge Alter der Opfer: Das durchschnittliche Todesalter war 40,3 Jahre gegenüber 47 Jahren in anderen empirischen Erhebungen. Die kantonale Herkunft ist über die ganze Schweiz verstreut.
Nach der Aufnahme der psychisch Kranken und Behinderten aus der Schweiz in die Anstalten ereilte sie dasselbe Schicksal wie in jeder anderen Anstalt im Deutschen Reich (und in der Schweiz). Die staatlichen Institutionen der Heil- und/oder Pflegeanstalten hatten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stets einen vornehmlich kustodialen Auftrag. Die Tagesabläufe waren streng reglementiert, individuelle Zuwendung war nicht gewünscht. «Therapeutisches» Ziel war die Anpassung an das Regelwerk der Anstalt und die möglichst baldige Integration in die Arbeitskolonnen für die Zwecke der zum Teil selbstversorgenden Anstalt («Rosshaarstube» etc.). Als geglaubtes Therapeutikum galt, neben «Arbeit», «Bettbehandlung», «Dauerbad» und sedierdende Medikamente (u.a. Morphium, Chloraldurat, Barbiturate). Stets war die Unterbringung auf Dauer angedacht, Kontakte mit den Angehörigen wurden eher als Störfaktor ge­sehen [24]. Die Untergebrachten hatten letztlich nur die Wahl zwischen einer Arbeit als Knecht bzw. Magd für die Anstalt oder dem inneren Rückzug in Form von Sprachlosigkeit, Kontaktlosigkeit und Passivität. Bei den hier ­dargestellten Hospitalisierungsverläufen der Opfer aus der Schweiz ist auffallend, dass viele sich diesem Uhrwerk der Anstalt über Jahre verweigerten. Verhaltensbeschreibungen wie «kein Umgang mit Anderen», «immer unter der Bettdecke», «ist nur für sich» etc. sind in fast allen Beschreibungen zu finden. In fast keiner Verlaufsbeschreibung sind Kontakte seitens der Angehörigen erwähnt. Möglicherweise wären in den genannten vernichteten Personalakten hierzu Angaben zu finden ­gewesen (u. a. Briefe der Angehörigen an die Patientinnen und Patienten und an die Verwaltung, wie sie in ­anderen Akten jener Zeit meist gefunden ­werden [25]). Einzig die hier beschriebene Akte von Ernst Bühler beinhaltet detaillierte Dokumente über bürokratische Abläufe vor und nach der Überführung und gibt genauere Hinweise auf verwandtschaftliche Bezüge.
In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, eine regionenbezogene Aufarbeitung der Schicksale der Opfer der Aktion-«T4» exemplarisch zu beschreiben. Es zeigte sich, dass bei der Erforschung der regionalen Ereignisse im Rahmen der Aktion-«T4» auch überregionale und transnationale historische Abläufe ein­bezogen werden müssen.
No financial support and no other potential conflict of interest relevant to this article was reported.
Correspondence:
Paul-Otto Schmidt-Michel, MD
Ärztlicher Direktor ZfP Südwürttemberg a. D.
Schwarzenbach 2
DE-88074 Meckenbeuren
Schmidtmichel[at]gmx.de
 1 Sandner P. Schlüsseldokumente zur Überlieferungsgeschichte der NS-«Euthanasie»-Akten» gefunden. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 2003;51(2):285–90.
 2 Klee E. «Euthanasie» im NS-Staat. Die «Vernichtung lebensunwerten Lebens». Fischer Taschenbuch: Frankfurt am Main; 1985.
 3 DFG-Förderkennzeichen: HO 2208/2 – (1-3).
 4 Fuchs P, Rotzoll M, Müller U, Richter P, Hohendorf G. «Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst» – Lebensgeschichten von Opfern der nationalsozialistischen «Euthanasie». ­Wallenstein Verlag: Göttingen; 2007.
 5 Rotzoll M, Hohendorf G, Fuchs P, Richter P, Mundt C, Eckart WU (Hrsg.). Die nationalsozialistische «Euthanasie»-Aktion «T4» und ihre Opfer. ­Ferdinand Schöningh Verlag: Paderborn; 2010.
 6 Zechert C. Krankenakten der psychiatrischen ­Frauenklinik Magdala (1934–1945) als Quelle zur Anstaltsgeschichte. In: Benad M (Hrsg.). Friedrich v. Bodelschwingh d. J. und die Betheler Anstalten. ­Verlag W. Kohlhammer: Stuttgart; 1997. p.230–36.
 7 Hinz-Wessels A, Fuchs P, Hohendorf G, Rotzoll M. Zur bürokratischen Abwicklung eines Massenmords. Die «Euthanasie»-Aktion im Spiegel neuer Dokumente. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 2005;53(1):79–82.
 8 Faulstich H. Hungersterben in der Psychiatrie 1914–1949. Mit einer Topographie der NS-Psychiatrie. Lambertus: Freiburg; 1998.
 9 Staatsarchiv Basel, passim.
10 Bundesarchiv, Bestand R 179, Nr. 24740, 49 Seiten, diverse Handschriften.
11 Landesarchiv St. Gallen, Findnummer A 404/2 – 2574, Krankenakte aus der Anstalt St. Pirminsberg, 26 Seiten.
12 Staatsarchiv St. Gallen: A404/2/2574.
13 Bundesarchiv, Bestand R 179, Nr. 24287, 22 Seiten, diverse Handschriften.
14 Staatsarchiv Thurgau 9’10, 5.4/5425.
15 Bundesarchiv, Bestand R 179, Nr.26428, 9 Seiten, ­diverse Handschriften.
16 Staatsarchiv St. Gallen, Nr. A 541/1.1.0281 (Asyl Wil) und Nr. A 404/2.4966 (Anstalt St. Pirminsberg).
17 Veredelung von Kleidung, Bett- und Tischwäsche.
18 Bundesarchiv, Bestand 179, Nr.7625, 11 Seiten, ­verschiedene Handschriften.
19 Staatsarchiv St. Gallen, A541/1.1.0070.
20 Staatsarchiv St.Gallen, A541/1.1.0070.
21 Staatsarchiv St. Gallen, A541/1.27319.
22 Staatsarchiv Zürich, Signatur Z 42.5027.
23 Fuchs P. Die Opfer als Gruppe. Eine kollektivbiographische Skizze auf der Basis empirischer Befunde. In: Fuchs P et al. (Hrsg.). «Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst» – Lebensgeschichten von Opfern der nationasozialistischen «Euthanasie». Wallenstein: Göttingen; 2007. p. 55.
24 Schmidt-Michel PO. Opfer oder Täter. Die Rolle der Angehörigen von Psychiatriepatienten in Heil- und Pflegeanstalten zur NS-Zeit. Eine Erwiederung auf Götz Aly. Kerbe. 2016;34(4):42–4.
25 Schmidt-Michel PO. Post wohin? Briefe von Angehörigen an Opfer der Aktion T4. In: Müller T, Schmidt-Michel PO, Schwarzbauer F (Hrsg.). Vergangen? ­Spurensuche und Erinnerungsarbeit – Das Denkmal der Grauen Busse. Verlag Psychiatrie und ­Geschichte: Zwiefalten; 2017. p. 71–91.