Das Happy-Heart-Syndrom: positive Emotionen und Takotsubo-Syndrom
Die Trigger für das Takotsubo-Syndrom sind vielfältiger als bisher angenommen

Das Happy-Heart-Syndrom: positive Emotionen und Takotsubo-Syndrom

Review Article
Issue
2017/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2017.00460
Cardiovascular Medicine. 2017;20(02):36-37

Affiliations
UniversitätsSpital Zürich, Universitäres Herzzentrum, Klinik für Kardiologie, Zürich, Schweiz

Published on 15.02.2017

Das Takotsubo-Syndrom (TTS) ist ein häufig verkanntes Krankheitsbild [1, 2]. Es ist durch eine akut einsetzende systolische und diastolische Pumpfunktionsstörung charakterisiert [3]. Symptomatisch imponiert das TTS wie ein akuter Myokardinfarkt [3, 4] und betrifft in der Mehrzahl der Fälle postmenopausale Frauen [3]. Seit der Erstbeschreibung vor mehr als zwei Jahrzenten in Japan [5] wurde die Erkrankung überwiegend mit negativen emotionalen Belastungssituationen wie Tod einer nahestehenden Person, Angst oder Ärgernis in Verbindung gebracht [3, 6]. Diese als ausschliesslich negativ beschriebenen Ereignisse führten zur ebenfalls verwendeten Bezeichnung «broken heart syndrome». Bislang war nicht bekannt, ob auch erfreu­liche Erlebnisse zu einem TTS führen können, obwohl diese das autonome Nervensystem auf eine ähnliche Art wie negative Emotionen beeinflussen: durch die Änderung der Herzfrequenz, des peripheren Gefässwiderstandes und des Blutdrucks [7]. Während einerseits Studien gezeigt haben, dass der Einfluss von positiven Emotionen mit einem verringerten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist [8], wurde auch beschrieben, dass das Risiko, an einem Geburts­tag ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden um 27% erhöht ist [9].
Interessanterweise ist die Legende des Diagoras von Rhodos, einem der wohl bekanntesten Sportler und Olympioniken des antiken Griechenlands, ein historischer und archetypischer Fall eines Todes, der durch extrem positive Emotionen hervorgerufen wurde [10]. Nach dem Sieg bei den Olympischen Spielen, den sie nur durch sein Training erringen konnten, trugen ihn seine Söhne voller Dankbarkeit auf ihren Schultern durch das Stadion (Abb. 1). Einer der Zuschauer rief daraufhin ­Diagoras zu, dass er in diesem Leben nicht auch noch auf den Olymp steigen könne, als ein Zeichen der Ehrerbietung und ebenso als ein Hinweis darauf, dass er bereits alles Erstrebenswerte erreicht hatte. Nach dem Zuruf aus der Menge senkte Diagoras seinen Kopf und starb auf den Schultern seiner Söhne – ein durch extrem positive Emotionen verursachter Tod.
Abbildung 1: Briefmarke mit Diagoras auf den Schultern seiner Söhne. Nachdruck aus Katsanos et al. [10], mit Geneh­migung.

Ergebnisse des Internationalen Tako­tsubo-Registers (InterTAK Registry)

Von 1750 Patienten aus dem Internationalen Takotsubo-Register, das 2011 am UniversitätsSpital Zürich gegründet wurde [11] und an dem sich 25 Zentren aus Europa und den USA beteiligen, wurden 485 Patienten mit eindeutigen emotionalen Stressfaktoren eingeschlossen, von denen 20 (4,1%) einen positiven Trigger aufwiesen [12]. Diese Fälle wurden in Analogie zum «broken heart syndrome» als «happy heart syndrome» klassifiziert.
Die spezifischen Stressfaktoren der «happy hearts» sind in Tabelle 1 dargestellt. In einem Vergleich der beiden Gruppen waren Frauen gleichermassen stark betroffen (95,0% vs. 94,6%, P = 1,0) [12]. Auch die klinische Präsentation, elektrokardiographische Befunde, Vitalparameter, kardiale Biomarker sowie das Kurz- und Langzeitoutcome waren zwischen beiden Gruppen vergleichbar [12]. Interessanterweise konnten wir mittels einer Post-hoc-Analyse eine erhöhte Prävalenz des midventrikulären Typen in der «Happy heart»-Gruppe im Vergleich zu der «Broken heart»-Gruppe (35,0% vs. 16,3%, P = 0,030) beobachten, während sich keine signifikanten Unterschiede bei der klassischen apikalen Ballonierung sowie bei dem fokalen und basalen Typen zeigte [12].
Tabelle 1: Positive Emotionen als Auslöser für das 
«Happy Heart Syndrome». Nachdruck ausGhadri et al. [12] mit Genehmigung.
Happy heart events (n = 20)
Patient 1Birthday party
Patient 2Son’s wedding
Patient 3Meeting after 50 years with friends from 
high school
Patient 4Preparing 50th wedding anniversary 
(pleasant anticipation)
Patient 5Positive job interview
Patient 6Wedding
Patient 7Favourite driver won race car competition
Patient 8Becoming grandmother
Patient 9Surprise farewell celebration
Patient 10Son’s company opening
Patient 11Favourite rugby team won game
Patient 12Emotional speaking during a friend’s birthday
Patient 13Celebrating 80th birthday
Patient 14Winning several jackpots at the casino
Patient 15Celebration of normal PET-CT scan
Patient 16Visiting opera with her family
Patient 17Family party
Patient 18Unexpected visit from favourite nephew
Patient 19Grandchildren visiting from London (abroad)
Patient 20Becoming great-grandmother

Das Happy-Heart-Syndrom – 
ein Paradigmenwechsel

Während weitgehend bekannt ist, dass negative ­Belastungssituationen zu einem TTS führen können [3, 6], wurden bisher erfreuliche Ereignisse noch nicht in ­einem solchen Zusammenhang gestellt. Die Ergebnisse unserer Studie haben eine neuartige klinische Präsentation des TTS enthüllt und sollten zu einem Paradigmenwechsel in der klinischen Praxis führen, der behandelnde Ärzte dazu veranlassen sollte, an das facettenreiche Auftreten eines TTS besonders auch nach erfreulichen Erlebnissen zu denken.

Ein noch unbekannter Pathomechanismus

Aufgrund fehlender Differenzierungsmerkmale können wir nur vermuten, dass sowohl negative als auch positive Erlebnisse im gleichen finalen Signalweg im Gehirn enden und dort gleiche biochemische Prozesse auslösen, die in einer TTS-Episode resultieren. Die genauen molekularen Wege und die funktionelle Ana­tomie des zentralen Nervensystems, die in der Verarbeitung von Emotionen beteiligt sind und wahrscheinlich einen systemischen Effekt haben, sind bis heute nur unzureichend verstanden. Auch subkortikale Strukturen wie die Amygdala, der Hippocampus und die Basalganglien könnten dabei eine zentrale Bedeutung haben. Besonders die Amygdala wurde kürzlich mit der Verarbeitung von negativen und positiven ­Erlebnissen in Verbindung gebracht. Des Weiteren könnte es möglich sein, dass bei positiven Emotionen und freudigen Erlebnissen zuerst ein höherer Schwellenwert überschritten werden muss, bevor sie das kardiovaskuläre System beeinflussen. Dies könnte erklären, dass die Häufigkeit des Happy-Heart-Syndroms niedriger ist als die des Broken-Heart-Syndroms. Weitere Forschung wird notwendig sein [13], um das Happy-Heart-Syndrom und das Broken-Heart- Syndrom zu differenzieren und um den exakten Einfluss von Emotionen auf das Herz zu untersuchen.
Die hier besprochene Publikation erzielte weltweit ein sehr grosses mediales Interesse, das anhand eines Altmetric-Score von >1800 dokumentiert wurde. Somit erlangte diese Publikation die höchste jemals im ­«European Heart Journal» erreichte medienwirksame Aufmerksamkeit. Sie befindet sich unter den Top 5% ­aller Forschungsergebnisse (unabhängig von der Fachrichtung Medizin), die jemals publiziert wurden.
No financial support and no other potential conflict of interest 
relevant to this article was reported.
Correspondence:
Jelena-R. Ghadri, MD
University Hospital Zurich
University Heart Center
Department of Cardiology
Raemistrasse 100
CH-8091 Zürich
jelena-rima.ghadri[at]usz.ch
www.takotsubo-registry.com